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I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
bau von geschichteten Steinen einstöckig aus festem Eichenholze er¬
richtet. Die Zwischenräume des Holzgerüstes sind mit Rutengeflecht
ausgefüllt und mit Lehm beworfen. Das Dach ist dicht mit Schilf
gedeckt. An der Giebelseite springt es etwas vor, ruht auf Säulen
und bedeckt eine offene Halle. Zu derselben führen Stufen, und ein
Bretterverschlag umgibt sie in halber Höhe. Am Dachfirste sind zwei
sich kreuzende Pferdeköpfe als Hausmarke angebracht. Die Art des
Hausbaues erinnert an die Zeltwohnungen in der arischen Urheimat,
öle aus Pfosten, Stangen und Flechtwerk bestanden, aber leicht ab¬
zubrechen und fortzuschaffen waren. Eben kehren die Männer von
der Jagd heim. Der Hofherr, ein Vollfreier, schreitet durch das
niedrige Hoftor voran, und seine Gesippen und Gäste folgen ihm.
Es sind kräftige, hohe Gestalten. Fessellos wallt das lange, rötliche
Haar auf die Schultern herab oder ist in einen seitlichen Knoten ge¬
knüpft. Die Kleidung des Hofherrn besteht aus einem hemdartigen
Unterkleide und Hosen aus Leinwand. Über die Schultern hat er ein
viereckiges Stück Wollenzeug als Mantel geworfen, doch so, daß der
rechte Arm frei bleibt. Im Winter tritt Pelz an Stelle des Zeuges.
Den Mantel hält vorn eine Spange zusammen. Ärmere begnügen sich
mit einem Dorn. Die Füße stecken in groben, haarigen Schuhen aus
einem Stück Leder und sind mit Riemen festgeschnürt. In dem reich¬
verzierten Wehrgurte steckt rechts das kurze Schwert in einer Holz¬
oder Metallscheide. An einer Halskette trägt er Eberzähne, an den
Armen kostbare Spangen, in der Hand den Speer mit der Stein¬
oder Eisenfpitze. Manche Jagdgenossen tragen Pelzkleidung und haben
den Mantel abgelegt, andere die Beine, Arme und Schultern bloß
gelassen.
Dem Hofherrn kommt grüßend die stattliche Hausfrau ent¬
gegen. Sie trägt ein kurzes linnenes Ober- und langes Unterkleid.
Ringe, Spangen und andere Schmuckstücke zieren Hals, Hände,, Arme
und Gürtel. An letzterem hängt die große Eisenschere als Zeichen des
häuslichen Fleißes. Im Arme hält sie ein nacktes, rundes Büblein.
Das wurde nach der Geburt, wie es gebräuchlich, dem Vater vor die
Füße gelegt. Er hob es auf zum Zeichen, daß er's für gesund und
lebensfähig halte. Wäre es ein Siechling oder Schwächling gewesen,
so hätte er es liegen lassen und so dem Tode geweiht, denn nur ein
Leben in Gesundheit und Vollkraft erschien den alten Germanen
lebenswert. Etliche Tage nach der Geburt wurde das Kind in kaltes
Wasser getaucht und erhielt in Gegenwart eines Zeugen seinen Namen.
Die Namen bezogen sich meist auf Götter, Kampf und Jagd. In
voller Freiheit und Natürlichkeit wuchsen die Kinder auf. In freier
Luft und durch kalte Bäder wurden sie abgehärtet und frühzeitig in
den Waffen geübt. Ein größerer Sohn, nur mit einem Lendenschurz
bekleidet, hat die Waffenübung eingestellt und springt dem Vater ent¬
gegen. Eine Tochter lehnt sich an die Mutter. Die Hunde be¬
schnuppern den erlegten Bären, das Hauptstück der Jagdbeute.
Auch das Ingesinde hält in feiner Beschäftigung ein und schaut
nach den Jagdgesellen und der Jagdbeute. Da ist ein gekaufter oder