Full text: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen

I. Der Bauernstand sonst und jetzt. 
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In Mecklenburg verschwand so die Hälfte aller Bauernstellen und 
wurde zu Rittergütern zusammengelegt. Die Bauern gerieten nach und 
nach in völlige Knechtschaft, wie sie sich auch wehrten und sträubten. 
Die Herren hatten Polizei und Rechtspflege in den Dörfern und wußten 
in der Regel über die Bauern obzusiegen. Um die Staatsgewalt zu 
stärken und auch dem Bauern zu seinem Rechte zu verhelfen, richtete 
der Kurfürst die Landratsämter für die einzelnen Kreise ein. 
Immer seltener wurden dadurch die Klagen über Gewalttaten. 
So schuldet der Bauernstand dem Großen Kurfürsten mannigfachen 
Dank. Noch manches erinnert uns heute an den edlen, weitblickenden 
Fürsten. Auf der langen Brücke in Berlin steht sein Denkmal in 
Erz. Er sitzt hoch zu Roß, und seine Feinde liegen gefesselt zu seinen 
Füßen. Bei F ehrbell in ist ihm ein Denkmal zur Erinnerung an 
den großen Sieg über die Schweden am 18. Juni 1675 errichtet. 
In Berlin ließ er die Linden anpflanzen, die heute die schönste Straße 
beschatten. Auch das erste Straßenpflaster und die ersten 
Straßenlaternen rühren aus seiner Zeit. In der Residenz des 
Kurfürsten sah es damals schrecklich aus. An Schutthaufen und Brand¬ 
stätten war kein Mangel. Die Schweine liefen auf den Straßen um¬ 
her und wühlten tiefe Löcher. Zu Hofe ging man durch den Schlamm 
und Schmutz auf Stelzen. Unter dem Großen Kurfürsten erschien die 
erste Zeitung in Berlin. Er schuf das erste stehende Heer, die 
erste Flotte und die ersten Ansiedlungen in Afrika. Die 
Post, die heute die Welt umspannt, richtete er in Brandenburg zuerst 
als Reitpost ein, d. h. Reiter beförderten Briefe, Geld und Pakete 
von Ort zu Ort. Durch den Friedrich-Wilhelmskanal verband 
er die Oder mit der Spree, damit die Schiffe von Breslau bis Hamburg 
fahren konnten. Die vielen französischen Flamen in Berlin erinnern 
daran, daß der Kurfürst viele vertriebene französische Protestanten in 
seinem Lande aufnahm. Sie hoben das Kunstgewerbe, das Handwerk 
und den Handel. Zu seiner Zeit lebte als Geistlicher in Berlin Paul 
Gerhardt, der größte Liederdichter der evangelischen Kirche. In einer 
48 jährigen Regierung gelang es dem trefflichen Fürsten, die Wunden 
des Krieges zu heilen, seine armen Untertanen zu beglücken, die getrennten 
Landesteile Brandenburg, Preußen und Kleve zu einem Ganzen 
zu vereinigen und sich vom Kaiser ziemlich unabhängig zu machen. 
Klug wußte er zu wägen und tapfer zu wagen. Sein Wahlspruch 
hieß: „Gott meine Stärke!" Sein kriegerischer Helfer war der „alte 
Derfflinger", seine vertraute Beraterin die Kursürstin Luise 
Henriette. Seine größten Waffentaten waren die Schlachten bei 
Warschau gegen die Polen, wodurch er im Frieden von Oliva 1660 
das Herzogtum Preußen von der Lehnshoheit Polens befreite, und die 
Schlacht bei Fehrbellin über die Schweden. Vor derselben hatten 
die treuen Bauern ihre Liebe zu Fürst und Vaterland dadurch gezeigt, 
daß sie stch mit Sensen, Dreschflegeln und Spießen waffneten und 
gegen den Feind zogen. Aus ihre Fahnen hatten sie geschrieben: „Wir 
sind Bauern von geringem Gut und dienen unserm Kurfürsten mit 
Leib und Blut."
	        
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