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Ware durch den Zwischenhandel bezogen, wodurch der Hauptverdienst
verloren ging, unternahm Astor häusig Reisen und kaufte an Ort und
Stelle ein. Wie er nur aus erster Hand einkaufte, so verkaufte er auch
nur direkt. Im Herbst fuhr er regelmäßig nach London, setzte feine
Pelze gegen passende Waren für Ncw-Pork um und gewann dadurch
doppelt. So brachte er sein Geschäft immer mehr in Blüte, und aus
dem Kleinhändler wurde bald ein Großhändler. Durch seine Redlichkeit
gewann er bald einen fast unbegrenzten Kredit, der ihm bei seinen
riesigen Unternehmungen auch dringend nötig war. Nur einmal begeg¬
nete es ihm, daß ihm ein Geizhals eine größere Summe abschlug. Als
Astor von dem Hause wegging, sah er auf dem Boden eine Stecknadel
liegen. Er hob sie auf und steckte sie an den Rockkragen. Nun rief
ihn der Geizige zurück und bot ihm von selbst den dreifachen Betrag
an. „Denn," sagte er, „ein Mann, der auch das Kleinste zu Rate
hält, ist alles Vertrauens wert."
War Astor im Handel einer der unternehmendsten Kaufleute der
Welt, so erwarb er sich sein späteres kolossales Vermögen doch haupt¬
sächlich durch seine Spekulationen in Grund und Boden im nordwest¬
lichen Teile der Union, besonders aber in New-2)ork selbst. Ueberall
ging er von richtigen Beobachtungen aus und so schlugen seine Speku¬
lationen selten fehl.
Obwohl er aber der reichste Mann New-Aorks war, blieb er doch
stets bescheiden und leutselig, sprach auch oft und gerne von seiner harten
Jugendzeit. Seinen hochbetagten Vater und seine Verwandten unter¬
stützte er reichlich. Ebenso freigebig half er wahrer Not stets gerne ab,
meist aber durch Arbeit, um die Quellen der Armut zu verstopfen.
Manchem talentvollen jungen Mann half er auf; manchen braven Ge¬
schäftsmann, der unverschuldet in Not kam, rettete er vom Untergang.
Diele gemeinnützige, heil- und segenbringende Anstalten New-Porks ver¬
danken ihm ihre Entstehung oder große Förderung.
Infolge seiner einfachen und thätigen Lebensweise erreichte Astor
das hohe Alter von 85 Jahren. Er hinterließ ein Vermögen von 120
Millionen Mark. Durch zwei hochherzige Stiftungen hat er sich ein
bleibendes Ehrendenkmal gesetzt. Zu New-Pork gründete er eine Biblio¬
thek, die jedermann unentgeltlich offen steht, mit einem Betrag von
1 200 000 Mark, denen sein Sohn später noch 600 000 Mark hinzu¬
fügte. Auch seinem Heimatsort Walldorf hatte er ein warmes Her;
bewahrt. Er gründete dort mit 350 000 Mark das „Astorhaus", be¬
stehend in einer Versorgungsanstalt für arme gebrechliche Leute und einer
Schule zur Erziehung junger Armen. Dieselbe wurde 1854 eröffnet und
hat bis heute schon unendlich viel Gutes gewirkt.
Treu und wahr, im Handel und Wandel streng gewissenhaft, voll