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bald der Edelmann, der für die Vergehungen seiner Väter
furchtbar heimgesucht ward. Da tönt im Liede bald das
Schicksal des Ritters, dessen Herrensitz in Flammen rauchte,
bald donnernde Flüche gegen die Aufrührer, die in ihrem
Rachewahnsinn jedes menschliche Gefühl verloren hatten.
24. Damit ist bereits das Gebiet des rein historischen
Liedes betreten. Es behandelt die großen Ereignisse der Zeit
mit scharfer Parteifarbe für und gegen den Helden. Die
Niederlage Herzog Ulrichs von Württemberg ward von den
Seinen in Liedern beklagt, von der feindlichen Partei mit
Siegesgefühl besungen. Sickingen1) und Hutten2) wurden
schon bei Lebzeiten zu Helden des Volksliedes, und Luther
bald von seinen Feinden mit den rohesten Schmachliedern
beworfen, bald von protestantischer Seite verteidigt und aut
den Schild gehoben. So hört man im Volksliede die kriege¬
rische und geistige Bewegung der Zeit wiederklingen, ja, man
empfängt aus diesem Liederreichtum ein so lebendiges Bild,
wie es keine absichtliche Darstellung treuer hätte wiedergeben
können.
25. Aber neben der bunten Vielgestalt des weltlichen
Liedes findet sich auch das religiöse Volkslied verbreitet.
Das Volksgemüt ist an sich gläubig; wie hätte in Zeiten, wo
jede Empfindung zum Liede wurde, der Erguß frommen
Gebetes nicht auch in diese Form strömen sollen? In der
römischen Kirche fehlte es nicht an Anregung dazu. Gemein¬
same Wallfahrten zu Gnadenbildern oder an Heiligentagen
forderten zum Gesang auf. Schon im vierzehnten Jahrhundert
singen die Geißelbrüder3) bei ihren Umzügen Lieder, die von
der Stimmung des Augenblicks hervorgerufen wurden. Die
Entfaltung sinnlichen Reizes, den die Kirche den Augen bot,
wirkte mächtig auf die Phantasie und rief Lieder hervor, in
welchen das religiöse Gefühl sich wiederum mit sinnlicher
Glut ausspricht. Maria, die reine Maid, wird wie eine
Geliebte, Christus wie ein Bräutigam, ebenso werden die
Heiligen mit überschwenglicher Inbrunst angesungen. Häufig
dient die Form des weltlichen Liedes zur Einkleidung des
geistlichen. So heißt es: „Es wollt’ ein Jäger jagen, er
jagt vom Himmelsthron, was begegnet’ ihm auf dem Wege?
Maria, die Jungfrau schon4).“ Der Jäger ist der Engel Gabriel,
l) Franz von Sickingen (1481—1523), berühmter Feldhaupt¬
mann, hochangesehen bei Maximilian I. und Karl V. — 2) Ulrich
von Hutten (1488—1523), einer der mutigsten Kämpfer für geistige
Freiheit im Zeitalter der Reformation. — 3) Die Geißel brüder-
schaften entstanden um 1350. Sie verdankten ihr Entstehn dem
Wahne, es sei ein Gott wohlgefälliges Werk, sich selbst in schmerz¬
hafter Weise zu züchtigen. — 4) Schon, schön.