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nehmen. Die Sache schien mir nicht recht glaublich, Kurz danach 
kamen atemlos mehrere Klippkaffern und berichteten, bei Okarundu hätten 
sie heftiges Schießen gehört. Auch der eingeborene Postbote, der alle 
vierzehn Tage zwischen Omaruru und Okombahe verkehrte, brachte die¬ 
selbe Nachricht. Sogar der Missionar erschien und erzählte mir von 
den Schreckensszenen. 
Gegen 6 Uhr kam mein Diener Gottfried zurück, atemlos, asch¬ 
farbig. Seine Kleider waren zerfetzt. Er berichtete mir, daß er bis 
hinter Okarundu gekommen. Dort seien ihm Scharen bewaffneter Hereros 
begegnet, die ihm die Sachen meines Mannes abgenommen hätten. 
Hocherfreut über die köstliche Beute, hätten sie gleich alles unter sich 
verteilt und das, was sie nicht brauchen konnten, vernichtet. Er selber 
sei durchsucht worden. Die bei ihm vorgefundenen Briefe hätten sie 
zerrissen, ihn selber laufen lassen. Meinem Mann ließen sie sagen, 
Mr. Eckenbrecher hätte sehr schöne Sachen; den Rest würden sie am 
nächsten Tage aus seinem Hause holen. Gottfrieds Begleiter, einem 
eingeborenen Polizisten, rissen sie die rote Schärpe, das Zeichen seiner 
Würde, ab. Eine Reithose meines Mannes, die noch aus England stammte 
und sein ganzer Stolz war, schenkten sie großmütig Gottfried mit den 
Worten: „Da hast du etwas für deine Mühe." 
Gottfried begab sich eiligst auf den Rückweg und traf auf die 
von Okombahe kommende Patrouille. Er erzählte meinem Manne die 
Begebenheiten, die zu größter Vorsicht mahnten. Themis*) schickte mir 
einen Zettel mit, aus dem er mich bat, mich in acht zu nehmen. Er 
hatte gut reden mit dem Jnachtnehmen! Allein und mit dem elf Monate 
alten Kinde! Bei wem Schutz suchen, wo es keinen gab? 
Die Freude hatte ich wenigstens, daß Themis nicht bei Okarundu 
gefallen. Meine innigsten Wünsche, er möge glücklich nach Omaruru 
gelangen, begleiteten ihn. 
Aber was sollte aus mir werden? Nun, da das längst erwartete 
Schreckliche wirklich eintraf, bemühte ich mich, möglichst klar zu denken 
und zu überlegen. Ich hatte keine Zeit, um Angst oder Furcht zu 
haben. Nur jetzt keine Voreiligkeit, die nachher bereut werden müßte! 
Tausenderlei Pläne entwarf ich. Ebenso schnell ließ ich sie wieder fallen. 
Ich selber hätte mich ja nötigenfalls verstecken und allmählich die 70 Kilo¬ 
meter bis nach Omaruru durchschlagen können. Ich war ausdauernd 
*)ITHemistokles von Eckenbrecher, der Gatte der Erzählerin.
	        
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