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So bin ich denn am Erchtag in Heller Morgenfrüh zum Alpel¬
hofer gegangen. Lange stand ich auf dem Antrittsstein der Haustür
und dachte: wie wird es sein, wenn ich wieder heraustrete? Eine fast
feierliche Stimmung lag um das Haus, das auf dem Berge zwischen
Eschen und Linden stand, und in dem die Entscheidung über mein
Schicksal getroffen werden sollte.
Als ich in die Stube eintrat, saß der Meister am Tisch und
nähte. Vor ihm lag das Handwerkszeug, daneben zugeschnittenes
Lodentuch, und an der Sitzbank hing das Bügeleisen.
„Gelobt sei Jesus Christus," flüsterte ich.
„In Ewigkeit," antwortete er mit milder, tiefer Stimme.
Ich blieb an der Tür stehen. Es war alles still. Er zog die
Nadel auf und nieder; nur die Wanduhr tickte, und mein Herz pochte
dem Augenblicke entgegen. „Was willst denn?" fragte mich nach einer
Weile der Meister. „Schneider werden möcht ich halt gern," ant¬
wortete ich zagend. „So, bist du derselbe," sagte er und blickte eine
Weile auf mich her. „In Gottes Namen, geh's an. Setz' dich her,
nimm Nadel und Zwirn und nähe mir diesen Ärmling zusammen."
So tat ich — aber es ist leichter gesagt als getan. Da staken im
Kiffen an die dreißig Nadeln aller Größen, da lagen Zwirnknäuel ver¬
schiedener Feine und Farbe. Und die beiden Teile des Ärmlings, wie
werden sie behandelt und zusammengetan? Ich warf fragende Blicke
auf den Meister, aber er tat nicht, als wisse er mehr als ich. So
hub ich denn an. Ich fädelte ein und legte den Loden aufs Knie
und machte einen Stich. Der Faden schlüpfte durch. Der erste Stich
war mißlungen. An den Wangen tief erglühend, forschte ich der Ur¬
sache nach und kam endlich d'rauf, daß von mir vergeffen worden war,
in den Faden einen Knoten zu machen. Ich schlang also mit großer
Mühe ein Knötlein und beschäftigte all' meine zehn Finger dabei.
Hierauf nähte ich mit Erfolg, aber auch mit Hindernissen. Es ver¬
wand und verdrehte sich der Zwirn, es staute sich die Nadel am
Finger, es verschob sich der Loden und ließ sich mit jedem Zug hoch
in die Lüfte ziehen, es riß sogar der Faden.
Mittlerweile kam der alte Alpelhofer in die Stube und rief:
„Zum Dünner, jetzt ist ein junger Schneider Herkommen!" „Ja," sagte
mein Meister. Wie mir dies Wörtlein wohlgetan hat! Im Voll¬
bewußtsein meiner Ungeschicklichkeit hatte ich von Minute zu Minute
erwartet, daß der Meister mich fortschicken werde; aber dieses Ja war
wie eine Anerkennung und Einsetzung. „Das ist brav," sagte der
Alpelhofer und ging wieder davon.
Als ich ein paar Stunden so herumgenäht hatte, ohne daß mein
Meister auch nur eine Silbe zu mir gesprochen hatte, und als ich
endlich mit dem Ärmling fertig zu sein wähnte und mit dem Auge
fragte, was nun zu beginnen sei, antwortete er: „Jetzt trenne den
Ärmling wieder auf — bis auf den letzten Stich alles auf und ziehe
die Fäden sauber aus. Achtung geben mußt nur, daß du den Loden
nicht anschneidest! Als ich das mit Angst und Schmerz getan hatte
und die Teile des Ärmlings wieder so dalagen, wie sie mir der