Full text: Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten

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sein zutrauliches, frisches und fröhliches Wesen erwarb sich der begabte 
Karl die Zuneigung und das Vertrauen seines Lehrers. 
Später wurde Karl Laufbursche bet dem Konditor Felsche in 
Leipzig. Das war eine bescheidene Stellung und ein hartes Stück 
Brot. Aber die Großstadt bot dem offenen Auge und dem klugen 
Sinne des Knaben tausendfache Anregung. Den ländlichen Dialekt 
und die bäuerlichen Gewohnheiten legte er ab; dafür lernte er die 
Formen des städtischen Verkehrs beherrschen. Durch Fleiß, Ehrlichkeit, 
treuherziges Wesen und fröhlichen Sinn erwarb er sich die Zufrieden¬ 
heit seines Arbeitgebers. Karl hatte erkannt, daß nur dem eine 
glückliche Zukunft beschieden ist, der etwas Tüchtiges gelernt hat, daß 
aber der Laufburschendienst den Menschen für eine gewerbtätige und 
erfolgreiche Wirksamkeit im Leben nicht vorbereiten kann. Er beschloß 
deshalb, ein Handwerk zu lernen. Die Wahl fiel ihm nicht schwer. 
Als ein beneidenswerter Held, als ein Herrscher über die Kräfte der 
Natur erschien ihm der Lokomotivführer, der mittels der Dampfmaschine 
die größten Lasten in Bewegung setzt. Bald erfuhr er, daß durch 
die Schlofferwerkstätte der Weg auf die Dampfmaschine führt. Deshalb 
nahm er sich vor, Schlosser zu werden. Seine Anverwandten wollten 
davon jedoch nichts wissen. Gegen ihren Willen mußte er sich den 
Weg selbst ebnen, selbst den Lehrmeister suchen. Aber der tatkräftige 
Jüngling fand den richtigen Weg. 1840 trat er bei Meister Reinhold 
in Leipzig als Lehrling ein. Von früh 5 Uhr bis abends 7 Uhr 
schwang er den Hammer. Nach dem Feierabend nötigte ihn oft noch 
die gestrenge Hausfrau, allerlei häusliche Arbeiten zu verrichten. Am 
Sonntage mußte er vormittags die Werkstätte reinigen. So er¬ 
fuhr er in vollem Umfange, daß Lehrjahre keine Herrenjahre sind, 
und er lernte ausgiebig die Kunst des Gehorchens. Diese Unter¬ 
ordnung schärfte seinen Willen und seine Kraft und befähigte ihn, 
später andere Menschen mit Erfolg zu leiten. Es ist ja eine große 
Wahrheit, daß nur der das Befehlen lernt, der zu gehorchen vermag. 
Im 20. Lebensjahre konnte er sein Gesellenstück machen und los¬ 
gesprochen werden. 
Nun galt es, in der Fremde die Kunstfertigkeit tüchtiger Meister 
sich anzueignen und durch größere Reisen den Blick zu schärfen und 
die Kenntnisse zu mehren. In fröhlicher Handwerksburschenstimmung 
ging er in die weite Welt hinaus, durch Thüringen an den Rhein, 
nach Augsburg und München und dann hinein in die schönen Alpen, 
bald hier, bald dort längere Zeit arbeitend. Reich an Eindrücken 
kehrte er 1848 in die Heimat zurück. Aber gerade diese Reisen hatten 
ihm gezeigt, daß er noch viel zu lernen habe, und es regte sich in 
ihm ein förmlicher Bildungshunger. Deshalb beteiligte er sich eifrig 
an den Vorträgen und Unterrichtsstunden im Gesellenverein. Man 
lernte bald die Einsicht und das praktische Geschick Krauses schätzen. 
Ein Ingenieur veranlaßte ihn, in der berühmten Harkortschen Fabrik 
als Maschinenschlosser Stellung zu nehmen. Hier fanden seine eigent¬ 
lichen Lehrjahre ihren Abschluß. 
Der würdige Felsche schaute mit Wohlgefallen auf seinen ehe¬
	        
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