Full text: Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten

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Beim Ärmsten bleibt man und mit 
Freude, 
der uns belehrt mit mildem Wort; 
doch, wo man sich zu fragen scheute, 
da geht man nur mit Freuden — 
fort. 
Du aber, du, der noch die Bürde 
der herben Lehrzeit tragen muß. 
wenn sie dir noch so drückend würde, 
halt' aus in Ehren bis zum Schluß! 
Je enger deiner Freiheit Schranken 
die strenge Zucht des Lehrherrn setzt, 
je inn'ger wirst du s einst ihm danken, 
wenn man um deinen Fleiß dich 
schätzt. 
Karl Weise. 
15. Der Lchneidertraum. 
„Willst du mich heute nicht als Lehrling annehmen?" sagte Jakobli 
Trüb zum Meister Mellhorn. 
Meister Mellhorn antwortete, „Jakobli, was hast du geträumt?" 
„Mir hat geträumt," erwiderte Jakobli, „ich habe in eine Lotterie 
gelegt und vieles gewonnen." Der Meister versetzte: „Jakobli, heute 
nehme ich dich nicht an!" Am andern Morgen fragte der Junge 
wieder das nämliche und so fünf Tage nacheinander. Aber allemal, 
wenn er seinen Traum erzählte, antwortete ihm der Meister: „Ich 
nehme dich heute nicht an!" 
Am sechsten Tage erzählte der Jakobli: „Heute träumte mir, ich 
sitze auf einem Schneiderstuhl und schwitze den ganzen Tag bei meiner 
Arbeit, daß mir die Tropfen von Stirn und Wange auf meine Kleider 
herabfielen, und am Abend, da ich endlich meine Nadel hingelegt hatte, 
fand ich sie ganz golden." 
„Gut!" sagte der Meister, „das ist der Schneidertraum, wie ihn 
ein Junge träumen muß, ehe man ihn annimmt." Pestalozg. 
16. Vas Lehrlingsverbältois nach den gesetzlichen 
Bestimmungen. 
„Du bist nun, lieber Wilhelm, in das Haus deines Meisters 
aufgenommen. Du bist ein Glied seiner Familie geworden und 
wirst teilnehmen an Leid und Freude, wie sie in dem Haus Ein¬ 
kehr halten. Und du wirst dich bemühen, dir die Zufriedenheit 
des Meisters und aller seiner Hausgenossen zu erwerben. Den 
Lehrvertrag habe ich mit deinem Meister verabredet und ab¬ 
geschlossen. Er hat sich darin verpflichtet, dich in allen bei 
deinem Handwerk vorkommenden Arbeiten sorgfältig zu unter¬ 
weisen, dir die zu deiner Ausbildung und zum Besuch des Gottes¬ 
dienstes an Sonn- und Festtagen erforderliche Zeit zu gewähren, 
dich zum Besuche der Fortbildungsschule anzuhalten und den 
Schulbesuch zu überwachen. Er ist gern bereit, wie die Ge¬ 
werbeordnung es vorschreibt, entweder selbst oder durch einen ge¬ 
eigneten Vertreter deine Ausbildung zu leiten, dich zur Arbeit¬ 
samkeit und zu guten Sitten anzuhalten und vor Ausschweifungen 
zu bewahren. Gegen Misshandlungen, wie sie manchmal an Lehr- 
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