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von seinem Enkel, Wilhelm II., der Schlußstein gelegt und der Kanal
für den allgemeinen Verkehr eröffnet.
Damit war ein Wunsch in Erfüllung gegangen, der das deutsche
Volk viele Jahrhunderte hindurch beschäftigt hatte. Die ältesten Nach¬
richten über eine angestrebte Verbindung der beiden deutschen Meere
reichen bis in das 14. Jahrhundert zurück, und seit dem 16. Jahr¬
hundert sind nicht weniger als 16 derartige Pläne zu verzeichnen.
1784 erbaute der König Christian VII. von Dänemark den Eider¬
kanal, der für den damaligen Stand der Technik ein sehr ansehnliches
Werk darstellte, aber bei seiner geringen Tiefe und den zahlreichen
Schleusen den Forderungen des Handels nicht gar zu lange genügte.
1870 ließ Preußen untersuchen, ob dieser Kanal durch Umbau und
Erweiterung in einen Stand gesetzt werden könne, der den Bedürfnissen
des modernen Verkehrs und der Kriegsflotte entspräche. Die Unter¬
suchung ergab jedoch, daß ein solcher Plan undurchführbar sei. Da
nahm sich der Hamburger Schiffsreeder H. Dahlström der Sache an
und verfocht mit unermüdlicher Ausdauer in Wort und Schrift die
Anlage eines Kanales von Brunsbüttel über Rendsburg nach Kiel.
Seine auf eigene Kosten betriebenen Vorarbeiten bestimmten endlich
die Reichsregierung, der Ausführung näher zu treten. Mit dem Gesetz
vom 16. März 1886 wurde der Bau auf Grundlage des Dahl-
strömschen Planes beschlossen; die Kosten waren auf 166 Mill. Mark
festgesetzt, wozu Preußen als der zunächst interessierte Staat 50 Mill.
Mark unter Verzicht auf jede Verzinsung beitrug.
Der Kanal beginnt in der Elbmündung bei Brunsbüttel, bis
wohin die größten Dampfer genügende Waffertiese finden, und führt
in etwa drei gleichen Teilstrecken zuerst bis Grünenthal nach Nordosten,
dann bis Borgstedt nach Osten und von hier ab nach Südosten. Auf
dieser letzten Strecke folgt er dem alten Etderkanal, jedoch mit Ver¬
meidung von dessen Krümmungen, und mündet 4 1cm nordöstlich von
Kiel bei Holtenau in die Kieler Bucht. Seine Länge beträgt 98,6 km,
seine Sohlenbreite 22 m, seine Spiegelbreite 60 m und seine Tiefe
9 m. Auf der ganzen Strecke ist die Fahrt durch keine Schleuse
unterbrochen, nur an beiden Mündungen mußten großartige Schleusen»
werke eingeschaltet werden, um der Ebbe und Flut in der Elbmündung
und dem zuzeiten wechselnden Wasserstande in der Ostsee Rechnung
zu tragen. Die Schleusen sind so angelegt, daß zwei Schiffe gleich¬
zeitig durchfahren können. Die Holtenauer ist stets geöffnet, aus¬
genommen bei Sturm, die Brunsbüttler wird während der Flut ge¬
schlossen. Vor ihr sind außerdem zum Schutze des Kanals zwei ge¬
waltige Molen in den Elbstrom gebaut, deren Köpfe Leuchttürme
tragen. An den Innenseiten der Schleusen befindet sich je ein Binnen¬
hafen, während ein großer Betriebs- und Reparaturhafen bei Rends¬
burg angelegt worden ist.
Auf der ganzen Strecke des Kanals sind in angemessenen Ab¬
ständen 7 Ausweichestellen angebracht, die indessen nur für die Be¬
gegnung besonders großer Kriegsschiffe notwendig sind. Segelschiffe
und Kriegs- und Handelsdampfer können ohne Gefahr des Zusammen¬