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Nachfolger des Großen Kurfürsten bauten auf der geschaffenen Grund¬
lage nicht weiter; die Kolonien wurden für 6000 Dukaten an Holland
verkauft, und die zur Untätigkeit verurteilten Kriegsschiffe vermoderten
in den Häfen zu Emden und Pillau.
2. Nach einhundertvierzigjährigem Lchlafe erwachte die Sehnsucht
nach einer deutschen Flotte zum Schutze des heimischen Handels wieder
im Jahre 1848, als das kleine Dänemark es wagen durfte, mit nur
zwei Fregatten die hundertelf Seemeilen lange deutsche Küste zu
blockieren. Mit glühendem Patriotismus und unter Beteiligung des
ganzen Volkes begann man eine deutsche Reichs-Kriegsflotte ins Leben
zu rufen, die sich in Bremen sammelte und dem tüchtigen See¬
offizier Brommy unterstellt wurde. Aber nur einmal konnten einige
der schwachen Schiffe die schwarz-rot-goldene Flagge auf offener See
zeigen, dann mußte das deutsche Banner vom Meer verschwinden,
da das seegewaltige England dem Hamburger Senat erklären ließ, es
werde jedes Kriegsschiff, das unter dieser Flagge fahren würde,
als einen Piraten behandeln. Die deutsche Reichs-Kriegsflotte kam
unter den Hammer des Auktionators und fand ein rühmloses Ende.
Nur zwei Schiffen, dem „Barbaroffa" und der „Gefion", war es be-
schieden, in der unter preußischer Flagge entstehenden Kriegsmarine
fortzuleben.
3. Als Preußen das Mißglücken der Reichs-Marinebestrebungen
erkannte, begann es, sich unter Leitung des Prinzen Adalbert von
Preußen eine den dringendsten Bedürfniffen entsprechende eigene
Kriegsflotte zu schaffen. Man armierte geeignet erscheinende Dampf-
und Segelschiffe, legte achtzehn Ruderkanonenboote auf Stapel, be¬
stellte in England eiserne Schiffe und erbaute auf heimischen Werften
die Dampfkorvette „Danzig" und aus Spenden deutscher Frauen den
Schoner „Frauenlob", der später einem Teifun zum Opfer fiel. Von
größter Wichtigkeit für die Entwicklung der Flotte war die Erwerbung
des Jadebusens von Oldenburg, wo nach jahrelanger Arbeit der große
Kriegshafen Wilhelmshaven entstand. Hand in Hand mit dem Bau
von Schiffen ging die Schaffung und Ausbildung eines tüchtigen
seemännischen Personals, das auf Expeditionen nach Südamerika, West¬
indien und Ostasien, sowie durch Kämpfe gegen die Riffpiraten bei
Tres-Forkas der jungen Flagge großes Ansehen errang. Im Kriege
gegen Dänemark aber vermochte sich die preußische Flotte nicht mit
den überlegenen dänischen Panzerschiffen zu messen, beunruhigte aber
mehrmals in kühner Weise den Gegner bei Jasmund. Nach Schöpfung
des Norddeutschen Bundes wurde am 1. Oktober 1867 die schwarz¬
weiß-rote Bundesflagge auf allen preußischen Kriegsschiffen gehißt: die
preußische Kriegsmarine war zur Bundesmarine geworden.
4. Mit dem Wachsen der politischen Macht war auch ein Wachs¬
tum der deutschen Seemacht verbunden, für die durch die Er¬
werbung Kiels ein zweiter vorzüglicher Kriegshafen gefunden war.
Im Schiffbau wurden die Erfahrungen, die Frankreich und England
mit Panzerschiffen gemacht hatten, allgemein beachtet; die Holzschiffe
verschwanden aus den Kriegsflotten und machten den gepanzerten Eisen-
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