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auf, und eine im leeren Totenhause zurückgebliebene Larve nahm allmählich 
seine Züge an. 
Mitten in den Kampf floß plötzlich die Musik für das Neujahr 
vom Turm hernieder wie ferner Kirchengesang. Er wurde sanfter bewegt — 
er schaute um den Horizont herum und über die weite Erde, und er dachte 
an seine Jugendfreunde, die nun, glücklicher und besser als er, Lehrer 
der Erde, Väter glücklicher Kinder und gesegnete Menschen waren, und 
er sagte: „O, ich könnte auch wie ihr diese erste Nacht mit trocknen Augen 
verschlummern, wenn ich gewollt hätte! — Ach, ich könnte glücklich sein, 
ihr teuern Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte!" 
Im fieberhaften Erinnern an seine Jiinglingszeit kam es ihm vor, 
als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause auf; — endlich 
wurde sie durch den Aberglauben, der in der Neujahrsnacht Geister und 
Zukunft erblickt, 511 einem lebendigen Jüngling, der in der Stellung des 
schönen Jünglitlgs vom Kapitol sich einen Dorn auszieht, und seine vorige 
blühende Gestalt wurde ihm bitter vorgegaukelt. 
Er konnt' es nicht mehr sehen, — er verhüllte das Auge, — tausend 
heiße Thränen strömten versiegend in den Schnee; er seufzte nur noch 
leise, trostlos und sinnlos: „Komm nur wieder, Jugend, komm wieder!" 
Und sie kam wieder; denn er hatte nur in der Neujahrsnacht so fürchterlich 
geträumt; er war noch ein Jüngling. Nur seine Verirrungen waren fein 
Traum gewesen; aber er dankte Gott, daß er, noch jung, in den schmutzigen 
Gängen des Lasters umkehren und sich auf die Sonnenbahn zurückbegeben 
konnte, die ins reine ßauö der Ernten leitet. 
Kehre mit ihm um, junger Leser, wenn du auf seinem 
Irrwege stehst! Dieser schreckende Traum wird künftig dein Richter 
werden; aber wenn bu einst jammervoll rufen würdest: „Komm wieder, 
schöne Jugend!" — so würde sie nicht wieder kommen. Jean Paul. - 
c. Heimkehr. 
41. Wenn du noch eine Keimat hast. 
1. Wenn du noch eine Heimat hast, 
So nimm den Ranzen und den Stecken, 
Und wandre, wandle ohne Rast, 
Bist du erreicht den teuren Flecken. 
2. Und strecken nur zwei Arme sich 
In freud'ger Sehnsucht dir entgegen, 
Fließt eine Thräne nur um dich, 
Spricht dir ein einz'ger Mund den Segen — 
3. Ob du ein Bettler, du bist reich, 
Ob krank dein Herz, dein Mut beklommen, 
Gesunden wirst du allsoglcich, 
Hörst du das süße Wort: Willkommen! 
4. Und ist verweht auch jede Spur, 
Zeigt nichts sich deinem Blick, dem nassen, 
Als grün berast ein Hügel nur 
Von allem, was du einst verlassen — 
5. O, nirgend weint es sich so gut, 
Wie weit dich deine Füße tragen, 
Als da, wo still ein Herze ruht, 
Das einstens warm für dich geschlagen. 
Alb. Träger.
	        
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