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August Borsig, der deutsche Lokomotivkönig.
Sie meine „Neue Berliner Eisengießerei“.“ Ohne langes Besinnen
streckte der junge Borsig dem Fabrikherrn die Hand entgegen und
sagte: „Topp, ich trete in Ihre Fabrik ein. Ein Baumeister in Erz
und Eisen, das sagt mir mehr zu, als das Zimmerhandwerk.“
Zunächst arbeitete der junge Borsig in der Egellsschen Fabrik
als Zeichner. Neben der Eisengießerei betrieb man in der Fabrik auch
den Maschinenbau, und um diesen von Grund aus kennen zu lernen,
wurde Borsig ein gewöhnlicher Arbeiter. So diente er „von der
Pike auf“ und arbeitete sich nach einigen Jahren zum Geschäfts¬
führer empor. Unter seiner Leitung nahm das Egellssche Werk
einen so großen Aufschwung, daß der Besitzer ihn zum Mitdirektor
ernannte. Bisher war der Bau von Dampfmaschinen von einigen
Berliner Eisen-Industriellen nur in kleinem Maßstabe versucht worden;
in der Egellsschen Fabrik aber wurde er jetzt fast ausschließlich
und in großem Umfange betrieben.
2. Die Gründung eines eigenen Hausstandes erweckte indessen
in Borsig den Wunsch selbständig zu werden. Er erwarb daher
in der Nachbarschaft ein Grundstück und schied am Weihnachts¬
abend 1836 aus der Egellsschen Fabrik, um mit dem neuen Jahre
die Arbeit in seiner eigenen Maschinenbauanstalt zu beginnen. Mit
einem selbsterarbeiteten Kapital von 5000 Talern und einer doppelt
so hohen Anleihe fing Borsig sein Unternehmen in einem Bretter¬
schuppen an, der Raum für 50 Arbeiter und für ein Roßwerk bot, das
einstweilen eine Dampfmaschine ersetzte. Schon nach einem Jahre
mußte die Anstalt erweitert werden, und die unregelmäßig und
mühsam arbeitenden Pferde wichen einer in der Fabrik gefertigten
Dampfmaschine.
Im Jahre 1838 wurde die erste preußische Eisenbahn zwischen
Berlin und Potsdam feierlich eröffnet (s. Nr. 53 u. 55). Engländer
hatten sie gebaut; die Lokomotiven waren englisches Fabrikat; der
Betrieb wurde durch englische Ingenieure geleitet. Das spornte Borsig
an, darauf zu sinnen, wie das Vorrecht der anmaßenden Engländer zu
brechen und der Bau von Lokomotiven auf deutschen Boden zu
verpflanzen sei. Tatsächlich brachte er ein Modell zu stände,
welches seine Ingenieure und Werkführer in Erstaunen setzte. Als¬
bald ging er an die Ausführung, und es war noch nicht ein Jahr
nach jener Bahneröffnung verstrichen, da bewährte sich das neue
Dampfroß bei einer Probefahrt auf dem Hofe der Anstalt aufs beste.
In freudigster Erregung bat Borsig die Leitung der Bahn, seine Loko¬
motive zu prüfen, wurde aber abgewiesen. Dennoch sollte er ans Ziel
gelangen. Im Jahre 1841 wurde nämlich die Anhalter Bahn dem
Betriebe übergeben, und es gelang Borsig durchzusetzen, daß seine
Lokomotive am 24. Juni 1841 geprüft werden sollte.
Schon am Tage vorher wurde die Lokomotive, die den Namen
„Borsig“ trug, nach dem Anhalter Bahnhöfe gebracht, dort noch
einmal montiert und am Morgen des festgesetzten Tages geheizt.
Die ganze Nacht harrte Borsig bei seinen Arbeitern treulich aus,
und mit banger Erwartung sah er der Entscheidung entgegen. Vor
einer stattlichen Versammlung bestieg er seinen schnaubenden Eisen¬
renner. Von ihrem Erbauer selbst gelenkt, brauste die Lokomotive