Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

Das Handwerk bei den alten Deutschen. 
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IV. Das Gewerbe in der vaterländischen Geschichte. 
A. Die Kulturgeschichtliche Entwicklung de^ Hand¬ 
werks. 
134. Das Handwerk bei den alten Deutschen. 
Rus den Römerberichten erkennen wir, wie der deutsche Landmann 
damals lebte; er wohnte im Norden in Linzelhöfen oder in Dörfern, 
wahrscheinlich hatte der Marschbewohner an der Nordsee schon die ersten 
einfachen Dämme gegen die schwellende Lee gezogen,' schon weideten seine 
Schafe im Sommer in dem Grün des neu angeschwemmten Bodens. Im 
Binnenlande aber hauste der Landbauer in seinem Blockhaus oder zwischen 
Lehmwänden, die er schon damals mit glänzendem weiß zu tünchen liebte. 
Herden von Borstenvieh lagen im Schatten der Laubwälder, und die ge¬ 
räucherte Ware aus Deutschland war schon im 3. Jahrhundert ein nam¬ 
hafter Handelsartikel. Der fremde Händler tauschte gegen Schmuckgegen- 
stände und gute Geldstücke der Römer von dem deutschen Landmann die 
geschätzten Gänsefedern, Hörner des Urs und Geweihe, sogar blondes haar 
der Sklaven. 
Ruch das Handwerk rührte sich in den Häusern so kunstvoll, wie es 
eben bei kriegerischen Landbauern getrieben werden kann. Rm angesehensten 
war die mannhafte Tätigkeit der Schmiede. Eisen war teuer; es wurde 
von den ostwärts sitzenden Stämmen gegraben und geschmolzen. Die Schneide 
der Schwerter und Messer wußte man zu stählen, kunstvoll Helm und 
Brünne*) zu runden. Der Goldschmied faßte die Hörner des Urs mit edlem 
Metall zu Trinkgefäßen; er fertigte Halsketten und Rrmringe, zuweilen mit 
sinnigen Verzierungen von Schlangenwerk, und schlug goldene Schaustücke 
nach dem Muster eingeführter Münzen und römischer Grden. Die Bewohner 
des Seestrandes bauten ihre Schiffe höchst praktisch für den starken Wogen¬ 
schwall der Uordmeere; mit zierlicher Schnitzarbeit versahen sie die gekrümmten 
Steven und zogen buntgefärbte Segel an den Mast. Ruf dem Webstuhl 
webten die Frauen in unterirdischem Raume, der zum Schutz gegen die 
Kälte mit Dünger belegt wurde, leinene und wollene Stoffe; sie färbten mit 
Färberröte und blauem Waid; sie verfertigten wasserdichten Flausund feine 
Fransen und Borten und stickten mit der Radel. Die Volkstracht der Deutschen 
war — außer., dem pelzrock — ein regendichtes wollenes Wams. Ls 
bildete für den Rrmeren, außer dem Schurz um die Lenden und dem ledernen 
Bundschuh, zuweilen das einzige Rleidungsstück. wer etwas auf sich hielt, 
trug darunter ein enges, leinenes Unterkleid. Ruch die Pelzröcke wurden, 
wenigstens im Binnenlands, wo man wertvolle römische Stoffe nicht leicht 
erhalten konnte, sorglich gefertigt und mit kostbarem pelzwerk verbrämt. 
‘) Brustharnijch, Panzer.
	        
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