Das Eindringen des Maschinenwesens in das Gewerbe.
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kommt noch, daß die Verfertigung der Maschinen selber reichliche Gelegen¬
heit zur Arbeit schafft, eine Arbeitsquelle, die früher nicht vorhanden war.
Man sieht also, daß durch die Maschinen die Arbeit keineswegs unter¬
drückt wird, sondern es wird ihr nur eine andere Richtung gegeben. Wohl
vermag die Einführung einer neuen Maschine einen Teil der Arbeiter vor¬
übergehend außer Brot zu setzen; aber wie viele Gewerbe leiden nicht alle
Jahre unter- den Launen der Mode, ja sogar unter dem Einfluß der
Witterung? Wenn auch die Maschinen einzelnen zeitweilig schaden, so er¬
sparen sie doch dem gesamten Arbeiterstande die schwierigsten, mühevollsten
und manche gesundheitsschädlichen Verrichtungen und sind für die ganze
menschliche Gesellschaft eine große Wohltat, und dem Gemeinwohl den eigenen
Vorteil zum Opfer zu bringen, dazu muß sich ein jeder verpflichtet fühlen.
Nach Roscher, Rapet u a.
*69. Dos Eindringen des HMchinenweiens in das Gewerbe.
1. Im Jahre 1830 war in der Buchdruckerei von Brockhaus in
Leipzig an Stelle der bisher gebräuchlichen Handpresse die von
Friedrich König*) erfundene Schnellpresse eingeführt worden.
Wunderdinge wurden von dieser Maschine erzählt. Eigentlich
brauchte nur noch der Setzer in gewohnter Weise seine Hände zu
rühren; ein Arbeiter stellte dann den Schriftsatz in die Maschine
ein, und versorgte sie mit Druckpapier. Alsdann begann die Schnell¬
presse ihre Arbeit. Sie schwärzte den Schriftsatz, legte die Druck¬
bogen zurecht, druckte den Satz ab, faltete die Bogen und lieferte
sie einem andern Arbeiter fertig in die Hände. Das war ja alles
schön und gut; aber wie viele Arbeiter wurden durch diese ver¬
wünschte Schnellpresse überflüssig! Wo sollten sie fernerhin ihr
Brot finden? War es zu verwundern, daß sich vor der Brockhaus-
schen Buchhandlung eine aufgeregte Volksmenge — meist Ange¬
hörige des Buchdruckergewerbes — versammelte, die sogar ver¬
suchte, in die Druckerei einzudringen, um die verhaßte Maschine
zu zerstören? Der Besonnenheit des Besitzers gelang es zwar, solche
Ausschreitungen zu verhindern, und das war gut; aber den Sieges¬
zug der Schnellpresse hätten sie doch nicht zu hemmen vermocht;
das hatten schon längst ähnliche Erfahrungen gelehrt. Waren nicht
die ersten mechanischen Spinn- und Webemaschinen von der wüten¬
den Menge vernichtet worden? Trotzdem haspelten und rasselten
sie bereits in vielen Spinnereien und Webereien, und die Menschen
waren rastlos bemüht, auf den verschiedensten gewerblichen Ge¬
bieten die Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen.
2. Ein volles Jahrhundert war im Sommer 1899 seit der Auf¬
stellung der ersten Dampfmaschine in Berlin verflossen. Elf Jahre
lang hatten die Verhandlungen gedauert, bis es dem deutschen Er¬
bauer dieser Maschine gelungen war, sein Werk in der Königlichen
) Fnedr. König, geb. 1775 in Eisleben, zuerst Buchdrucker und Buchhändler,
baute in England mit Andreas Friedr. Bauer Druckmaschinen und gründete 1818
mit demselben die Maschinenbauanstalt in Oberzell bei Würzburg, f 1833.