Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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furcht und guten Sitten anhalten, dieselbigen auch, damit sie ihr 
Handwerk desto besser erlernten, zu keiner anderen Hausarbeit, als 
was einem Lehrjungen oblieget, gebrauchen, ihnen auch die zur Erhal¬ 
tung der Gesundheit nötige Speise und Trank reichen sollten“. 
Indessen forderte der König von den Lehrlingen nicht nur eine 
elementare Vorbildung, sondern bot auch Gelegenheit dazu, sie zu 
erwerben. Er hat im ganzen 2000 Volksschulen errichtet, davon in 
Ostpreussen allein 1160. Den Eltern befahl er, ihre Kinder vom 5. 
bis zum 12. Jahre zur Schule zu schicken; er selber aber war ein 
eifriger Schulaufseher und erschien oft persönlich in der Schulstube, 
so dass er die Bezeichnung des „Vaters der preussischen Volksschule“ 
wohl verdient. 
Den „Gesellenbruderschaften“, einem Auswuchs des Zunftwesens, 
trat der König kräftig entgegen. Diese Vereinigungen waren über 
das ganze Reich verbreitet und verursachten durch Arbeitseinstellungen 
und müfsiges Umherstreichen viel Unruhe und manches Unheil. Der 
König verbot den preussischen Handwerksgesellen, „ins Ausland“ 
(ausser Landes) zu wandern, sowie „jeden aufrührerischen Unfug und 
jedes Umherstreifen, um keine Arbeit mehr zu thun". Jeder Geselle 
musste ausser dem Geburts- und Lehrbrief die „Kundschaft“ bei sich 
führen, d. h. eine Bescheinigung der Innung des Ortes, wo er gear¬ 
beitet, über die Dauer der Arbeit und die Aufführung; daraus wurde 
später das Wanderbuch. Indessen that Friedrich Wilhelm auch schon 
Schritte zur Befreiung des Handwerks von lästigem Zunftzwang. So 
bestimmte er, dass Meister, die von einer Stadt in die andere zögen, 
von der Abzugssteuer befreit sein sollten, wodurch er die Freizügig¬ 
keit vorbereitete. Dem platten Lande wurden fünf Handwerke ein¬ 
geräumt: das Schneider-, Schmiede-, Leineweber-, Zimmermeister- und 
Rademachergewerbe. Indem der König bestimmte, dass es den Kauf¬ 
leuten erlaubt sein sollte, mit Handwerkserzeugnissen Handel zu 
treiben, leitete er die Gewerbefreiheit ein. 
Beim Beginn seiner Regierung hatte Friedrich Wilhelm I. ge¬ 
lobt, er selber wolle zum Wohle des Staates der Feldmarschall und 
der Finanzminister des Königs von Preussen sein. Diese Zusage hat 
er glänzend erfüllt; aber er war noch mehr, nämlich ein Lehrmeister 
— wenn auch ein strenger und oft rücksichtsloser — seines Volkes 
auf allen Gebieten des praktischen Lebens. Sein grosser Sohn er¬ 
kannte die Bedeutung dieses praktischsten aller brandenburgisch- 
preufsischen Herrscher, folgte seinen Spuren und beherzigte die Worte, 
die er ihm zur Lehre und Nachahmung niederschrieb: „Gott hat 
den König nicht eingesetzt, seine Tage in Genuss hinzubringen, 
sondern um seine Länder wohl zu regieren. Zur Arbeit sind die 
Regenten erkoren. Will aber ein Fürst mit Ehren seine Regierung 
führen, so muss er alle seine Geschäfte selbst vollziehen.“ 
• Nach Emil Wolfs, W. Pierson u. a. 
*247. Ein Reisetag Friedrichs des Großen. 
An einem Sommertage fuhr morgens fünf Uhr Friedrich der Große in 
seinem Reifewagen von Potsdam nach Fehrbellin, um einen Blick auf die 
am Rhin entstandenen Ansiedelungen zu werfen. Wohin er kam, sah er
	        
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