Strachwitz. Dahn. Uhland.
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2. Doch schon, als ich dies Land be-
schritten,
Wo dir der Demut Palme ward,
Wo du gekämpft, gesiegt, gelitten,
Zerschmolz dies Herz, so stolz und hart,
Vor deiner Wunder Gegenwart.
3. Und als ich lag im Todesschauer
Der Pest, ein aufgegebner Mann,
Bog sich dein Bild voll Gottestrauer
Vom Kreuz zu mir und blies mich an:
„Du lebst, doch lebst du mir fortan!"
4. Verwandelt istseitdemmeinWesen; —
Von aller Erdenwünsche Pein
Bin ich für immerdar genesen,
Ich denk', statt goldnen Kronenschein,
Nur noch der Dornenkrone dein!
5. So laß an deinem Grab mich knieen
Mit Buße, Tränen und Gebet,
Bis unter Engelsmelodieen
Mein Geist in deinen Frieden geht,
Du einzig wahre Majestät.
50. Vertrau de Born. (Um 1200.)
Ged. 1829 von Ludwig Uhland.
1. Droben auf dem schroffen Steine
Raucht in Trümmern Autafort,
Und der Burgherr steht gefesselt
Vor des Königs Zelte dort:
„Kamst du, der mit Schwert und
Liedern
Aufruhr trug von Ort zu Ort,
Der die Kinder aufgewiegelt
Gegen ihres Vaters Wort?
2. „Steht vor mir, der sich gerühmet
In vermeßner Prahlerei,
Daß ihm nie mehr als die Hälfte
Seines Geistes nötig sei?
Nun der halbe dich nicht rettet,
Ruf den ganzen doch herbei,
Daß er neu dein Schloß dir baue,
Deine Ketten brech' entzwei!"
3. „Wie du sagst, meinHerr und König,
Steht vor dir Bertran de Born,
Der mit einem Lied entflammte
Perigord und Ventadorn,
Der den: mächtigen Gebieter
Stets im Auge war ein Dorn,
Dem zuliebe Königskinder
Trugen ihres Vaters Zorn.
4. „Deine Tochter saß im Saale,
Festlich, eines Herzogs Braut,
Und da sang vor ihr mein Bote,
Dem ein Lied ich anvertraut,
Sang, was einst ihr Stolz gewesen,
Ihres Dichters Schnsnchtslaut,
Bis ihr leuchtend Brantgeschmeide
Ganz von Tränen war betaut.
5. „Aus des Ölbaums Schlummer¬
schatten
Fuhr dein bester Sohn empor,
Als mit zorn'gen Schlachtgesängen
Ich bestürmen ließ sein Ohr.
Schnell war ihm das Roß gegürtet,
Und ich trug das Banner vor,
Jenem Todespfeil entgegen,
Der ihn traf vor Montforts Tor.
6. „Blutend lag er mir im Arme;
Nicht der scharfe, kalte Stahl —
Daß er sterb' in deinem Fluche,
Das war seines Sterbens Qual.
Strecken wollt' er dir die Rechte
Über Meer, Gebirg und Tal;
Als er deine nicht erreichet,
Drückt' er meine noch einmal.
7. „Da wie Autafort dort oben
Ward gebrochen meine Kraft;
Nicht die ganze, nicht die halbe
Blieb mir, Saite nicht noch Schaft.
Leicht hast du den Arm gebunden,
Seit der Geist mir liegt in Haft;
Nur zu einem Tranerliede
Hat er sich noch aufgerafft."
8. Und der König senkt die Stirne:
„Meinen Sohn hast du verführt,
Hast der Tochter Herz verzaubert,
Hast auch meines nun gerührt.
Nimm die Hand, du Freund des Toten,
Die verzeihend ihm gebührt!
Weg die Fesseln! Deines Geistes
Hab' ich einen Hauch verspiirt."