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Kirchengeschichte.
No. 178.
Die ältesten Kirchen unseres Landes (z. B. in Hirsau, Alpirsbach, Maul¬
bronn) sind gebaut im sog. romanischen oder Rundbogen-Stil, dessen
Blütezeit zusammenfällt mit derjenigen des alten deutschen Reichs, vorzüglich
unter den Kaisern ans dem schwäbischen Geschlecht der Hohenstaufen. Er
heisst romanisch, weil er von der römischen Bauweise abgeleitet ist. Der
Kirchenraum ist durch Säulenreihen der Länge nach geteilt, so dass ein Mittel¬
schiff zwischen Seitenschiffen entsteht; das Mittelschiff ist breiter und höher.
Fenster in den Obermauern senden Licht ins Innere herab. Wegen dieser
Saalform, welche von den Römern überliefert ist, wird solch eine Kirche als
Basilika bezeichnet. Gewöhnlich sind die alten Kirchengebäude nach der Sonne
gerichtet, indem der Chor die Ostseite einnimmt. Derselbe schliesst mit einer
überwölbten Nische. Er enthält zuweilen einen kellerartigen Kapellenraum,
die sog. Krypta. Zwischen Chor und Schiff ist manchmal noch ein Querschiff
eingeschoben. So zeigt der Grundplan der ganzen Kirche die Gestalt des
Kreuzes. Die romanische Bauweise ist gar ernst und wuchtig wie der Kirchen¬
gesang jener Zeit. Schwere Rundbögen wölben sich über die stämmigen Säulen
oder Pfeiler hin sowie über die Thür- und Fensteröffnungen. Die Verzierung
beschränkt sich auf wenige bedeutsame Stellen des Gebäudes, welche mit ver¬
schlungenen Blattranken und Tiergestalten überzogen sind. Teppichartige
Wandmalerei mit heiligen Gestalten und Geschichten belebte ehemals die
Flächen. Da war namentlich das Weltgericht gern mit erschütternden Zügen
ausgemalt.
Die mit Holz gedeckten Kirchen brannten leicht samt ihren Schätzen
aus. Man versuchte darum bald, die ganze Basilika zu überwölben (z. B. bei
der Stiftskirche in Eilwangen). Aus diesen Versuchen ist der sog. gotische
oder Spitzbogen-Stil erwachsen, der zugleich höhere, hellere und freiere
Räume gewährt. „Gotisch“ heisst ungefähr soviel als altdeutsch. Die Heimat
dieser Bauweise ist aber Frankreich. Bei uns hat sich dieselbe erst gegen das
Ende des 18. Jahrhunderts eingebürgert (Paulskirche in Esslingen, Stiftskirche
zu Wimpfen i. Thal, Stadtkirche in Reutlingen). Sie beruht auf der Vervoll¬
kommnung einer bestimmten Gewölbeform (des sog. Kreuzgewölbes) in Ver¬
bindung mit dem Spitzbogen. Das Gewölbe besteht aus starken Rippen und
leichteren Füllungen. In derselben Weise gliedern sich die Mauern, welche
das Gewölbe tragen. Da nämlich, wo der Druck der Gewölbe von den Rippen
niedergeht, sind die Mauern durch äussere Wandpfeiler verstärkt. In den
Zwischenfeldern können dann sehr grosse Fenster durchgebrochen werden.
Das Ganze ist gleichsam ein Zimmerwerk aus Stein. Steinerne Stäbe biegen
sich gleich metallenen zusammen, als Rippen im Gewölb’, als sog. Masswerk in
den Fenstern. Feingemeisseltes Laubwerk umkränzt die Gesimse. Die Thore,
hoch und weit, sind schräg in die Mauer eingetieft und eingefasst von Bild¬
werk. Türme stehen als gewaltige Wächter an der Front oder am Chor. Sie
werden gegen oben immer luftiger und schlanker, gehen aus dem Viereck meist
ins Achteck über und Schliessen mit einem steilen, manchmal ganz durch¬
brochenen Helm, welchen die Kreuzblume krönt (Hauptturm des Münsters in