B. Landschaft
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und Wasser, mit so prächtigen, malerischen Durchblicken, wie sie
schwerlich eine andere deutsche Stadt in solchem Grade aufweist.
Vor den Toren der Stadt aber breitet sich ein sehr großer öffent¬
licher Park aus, der eine wirkliche Perle der neueren Landschafts¬
gartenkunst ist. Auch sonst bietet Bremen des Sehenswerten viel.
In den Teilen der Stadt, wo die Warenhäuser und Geschäftszimmer
der Kaufleute liegen, durchziehen von früh bis spät die vielen mit
Baumwolle, Petroleum, Tabak, Beis und anderen Waren beladenen,
schweren Frachtwagen die Straßen. Lebhafter Schiffsverkehr ent¬
wickelt sich an den Ufern des Stromes, wo fortwährend Waren aus-
und eingeladen werden. Zu gewissen Zeiten sieht man in den Stra¬
ßen Scharen von Auswanderern, oft in seltsam bunten Landestrach¬
ten. — In seinem altehrwürdigen Rathause besitzt Bremen ein Ge¬
bäude, das überall genannt wird, wo man der Stadt gedenkt. Zwi¬
schen ihm und der prächtigen, im gotischen Stile neuerbauten
Börse, die der Bedeutung von Bremens Handel angemessen ist, steht
die steinerne Rolandsäule, jener ,,Roland der Ries' am Rathaus zu
Bremen". In den weiten und schönen Räumen des Ratskellers la¬
gern Weine edelster Güte, von denen der Rosenwein und die
Apostelweine hochberühmt sind, und deren Alter teilweise bis zu
zweihundertundfünfzig Jahren hinaufsteigt. In dem vielgenann¬
ten oberen Rathaussaale sind bemerkenswerte Seiten deutschen
Lebens und deutscher Geschichte dargestellt. Da ist die schlanke
Wendeltreppe, die mit ihren reichen Verzierungen ein wahrer
Schmuck und Stolz der deutschen Holzschnitzkunst des siebzehnten
Jahrhundert ist, da hängen Modelle alter hanseatischer Kriegs¬
schiffe und das des ersten Dampfers, welcher von den deutschen
Ufern nach Amerika fuhr, da erhebt sich das Marmorstandbild
des großen Bürgermeisters Smidt, des Gründers von Bremerhaven.
2. ,,Die Schiffahrt ist notwendig, das Leben ist nicht not¬
wendig" — dieser Spruch steht an dem Portale des Hauses ,,See¬
fahrt", einer ehrwürdigen bremischen Stiftung für Seefahrer und
deren Angehörige. Der Sinn, welcher sich in diesem kühnen Worte
ausspricht, daß nicht das Leben der Güter höchstes ist, sondern
die segensvolle Arbeit, ist in Bremen von je heimisch gewesen
und allezeit lebendig geblieben. Dieser Geist bremischer Umsicht
und Tatkraft war es, der im Jahre 1827 zu der Erwerbung eines
kleinen Gebietes an der Unterweser, der Anlage eines großartigen
Seehafens daselbst und zur Gründung der Stadt Bremerhaven
führte, der größten Städtegründung, welche sich in neuerer Zeit in
Deutschland vollzogen hat. ,,Will das Meer nicht zu uns kommen,
so kommen wir zum Meere," so sprach Bremens Kaufmannschaft,
als die steigende Entwickelung seines Handels mit Nordamerika
und die veränderten Verkehrsverhältnisse überhaupt immer grö¬
ßere Seeschiffe erheischten, welche die Stadt, zumal bei der zu¬
nehmenden Versandung des Weserstromes, nicht zu erreichen ver¬
mochten. Dem ersten Bremerhavener Hafen folgte, nachdem eine