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Einzelne Landschaften blühen durch die Förderung und Verarbeitung ihrer
Steine. Nachdem im Fichtelgebirge der Erzbergbau erloschen war, ist
die Granitindustrie an dessen Stelle getreten. Auch die räumlich ganz
beschränkte Gewinnung des Specksteins spielt dort eine Rolle. Im Franken¬
wald und Westerwald ist es der Schiefer, am mittleren Main und in der
Sächsischen Schweiz der Sandstein, der Tausenden von Arbeitern Beschäf¬
tigung und Brot gibt. Kalksteine der verschiedensten Gestaltung werden zu
Zement verarbeitet.
Für Deutschland ist die Lage der Bodenschätze von der größten
Bedeutung. Immer ist ein mittlerer Strich in den Mittelgebirgen und an
deren Rändern durch seinen Erzreichtum berühmt gewesen. Auch die
reichen Kohlenlager Deutschlands an der Saar, Ruhr, Mulde und Oder
gehören ihm an. Diese Lage ist sehr günstig für die Nährung der Indu¬
strie des Inneren und in den Küstenstädten. Das schlesische Kohlenlager
hat über die Grenze weg ein schlesisch-polnisches Industriegebiet ins Leben
gerufen. Dafür sind weite Gebiete im Norden und Süden mit Mineral¬
schätzen ungenügend bedacht. Und da Deutschland nachgerade ein altes
Land geworden ist, so sind in einigen einst reichen Erzgebieten die Lager
erschöpft. Der Schwarzwald und die Vogesen sind heute bergmännisch
von geringer Bedeutung und im Thüringer Wald, Harz- und Erzgebirge
verkünden begrünte Halden und die mit Wasser gefüllten Trichtergruben
eingesunkener Stollen an hundert Plätzen verlassene Bergwerke. Die
Silberbergwerke haben durch das Fallen des Silberpreises viel von ihrem
Wert verloren. Sachsens Silberbergwerke waren die Hauptursache der
frühen Reife dieses Landes. Heute ist der Wert ihrer Erzeugnisse nur
ein Zwölftel von dem der sächsischen Kohlengruben. Die einst durch sie
angezogene Bevölkerung bildete den Grundstock der dichten Industrie-
bevölkerung in. rauhen Gegenden des Erzgebirges. Auch die Goldwäscherei
hat in den deutschen Flüssen seit mehr als einem Menschenalter gänzlich
aufgehört. Sie war einst besonders am Rheine und in Thüringen ertrag¬
reich gewesen. Die hellgelben Dukaten aus Rheingold und die aus dem
Gold thüringischer Bäche geschmiedeten Brautringe deutscher Fürstenkinder
gehören schon der Geschichte an.
Friedrich Ratzel.
163. Das Nationaldenkmal auf dem Niederwalde.
Im lieblichen Rheingau, in der Nähe von Rüdesheim, erhebt
sich der Niederwald, ein seit dem 28. September 1883 einem jeden
Deutschen bekannter Berg. An diesem Tage fand die glänzende
Einweihungsfeier des auf der Höhe des Niederwaldes errichteten
Nationaldenkmals mit der hochaufragenden Germania statt. Wie
die Inschrift sagt, ist das Denkmal „zum Andenken an die
einmütige, siegreiche Erhebung des deutschen Vol¬
kes und an die Wiederaufrichtung des Deutschen
Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz.
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