Full text: Lesebuch für kaufmännische Schulen

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6. Das Geheimnis der Mischung. 
Gotteswillen, Vater, laß dir nur ja nichts einreden von diesem 
Mann! Schau, was hättest du denn davon, wenn du einen Haufen 
Geld im Kasten liegen hättest und könntest deinen Kindern und 
der Mutter nimmer gerade in die Augen schauen. Laß dir nichts 
einreden, Vater!" 
Mit einem jähen Ruck sprang der junge Mann von seinem 
Stuhl empor, streckte das zorngerötete Gesicht mit den blitzenden 
Augen weit über den Tisch und stammelte mit heiserer Stimme: 
„Und das Weitere, meinen Sie, das wird sich dann schon finden? 
Wenn Sie mich erst einmal auf zehn Jahre in Ihren Händen hätten, 
dann könnten Sie mich schon so lang kneten und bearbeiten, daß 
mir schließlich nichts andres übrigbliebe als ein Schuft zu werden 
und Ihnen das Fabrikationsgeheimnis meines jetzigen Herrn zu 
verraten." 
Zornig packte er seinen Hut, stülpte ihn über die gesträubten 
Haare, stapfte mit langen Schritten davon und schoß zur Türe 
hinaus. Die Augen auf das beschneite Pflaster gesenkt, so stürmte 
er heimwärts. Bilder der Erinnerung huschten an seiner Seele 
vorüber. Er dachte an die Lehrlingszeit zurück, die er in einem 
chemischen Laboratorium durchgemacht hatte, und an die ersten 
Gesellenjahre, die er weit von der Heimat in einem großen Glas¬ 
werk verbracht. Dann war er heimgekommen und hatte in der 
Seydelmannschen Majolikafabrik eine sichere Stelle gefunden. Der 
gute Herrgott hatte ihm ein liebes Weib und gesunde, lustige Kinder 
beschert — ja, was wollte er denn noch mehr? Ein wenig knapp 
ging es freilich her zu Hause — aber wenn da nun auch ein paar- 
kleine Rückstände bei den unentbehrlichen Handwerksleuten nicht 
zu vermeiden waren — er hatte ja nur eine kurze Woche noch auf 
den Neujahrstag zu warten, an welchem Herr Seydelmann für den 
Glückwunsch jedes Beamten und Arbeiters mit einem ganzen 
Monatsgehalt zu danken pflegte. Und diesen Herrn, der ihm erst 
vor acht Tagen den größten Beweis seines Vertrauens gegeben 
hatte, den hätte er verraten und verkaufen sollen? 
Bei diesen: Gedanken warf Schaller die geballten Fäuste so 
zornig in die Höhe, daß ein altes Mütterlein, welches ihm gerade 
entgegenkam, sich erschrocken vom Fußweg auf die offene Straße 
flüchtete. 
Bald erreichte er sei:: Heim, weit draußen in einer stillen Vor¬ 
stadtgasse. Mit hurtigen Sprüngen eilte er die vier engen, steilen 
Treppen hinauf. Seine schmucke, blonde Frau empfing ihn. „Grüß' 
dich Gott, Robert!" sagte sie und schaute ihn von der Seite an, 
denn sie las es ihm gleich vom Gesicht, daß irgend etwas nicht in 
der Ordnung war. Diese Wahrnehmung aber verschwieg sie ihn:.
	        
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