158. Festlandssperre.
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4. Jeder Engländer, welcher sich in den Ländern des Kaisers
oder seiner Verbündeten aufhält, wird in Kriegsgefangen¬
schaft abgeführt.
Napoleon stand damals auf dem Gipfel seiner Macht, halb Europa
mußte sich der Anordnung des Herrschers fügen. Freilich geschah
das nur höchst widerwillig, denn man erkannte sehr wohl, daß die
Einbuße, welche dem englischen Handel zugedacht war, umgekehrt
wiederum der Industrie und dem Warenverkehr Frankreichs zugute
kommen sollte.
Immerhin war es ein fürchterlicher Schlag, zu welchem der
Kaiser ausholte um den verhaßten Feind zu zerschmettern, und das
Jnselreich geriet zweifellos in die größte Gefahr. Es lvar England
zwar gelungen sich politisch vom Kontinent loszulösen, aber wirt-
schaftlich war ihm dieser doch unentbehrlich, weil er sein wichtigster
Absatzmarkt war. Gelang es dem Kaiser in der Tat den übrigen
Festlandsstaaten seinen Willen aufzuzwingen, so mußte England
unterliegen ohne mit Waffengewalt besiegt zu sein.
Unter diesen Umständen vermochte sich England nur zu halten,
wenn es in der gleichen rücksichtslosen Weise seine Seeherrschaft
ausbeutete, wie Napoleon das Festland tyrannisierte.
Zunächst entwickelten die britischen Schiffe einen ungeheuren
und planmäßig betriebenen Schmuggelhandel. Von Gibraltar
und Malta aus wurde ein blühender Schleichhandel mit der Pyre-
näenhalbinsel betrieben, selbst zu jener Zeit, als diese größtenteils
von französischen Truppen besetzt war. Auch Helgoland, Sardinien
und Jersey lieferten sichere Stapelplätze als Ausgangspunkte für
den verbotenen Handelsverkehr. Von dem Umfang des Schmuggels
in jenen Tagen kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man
bedenkt, daß allein aus dem Hafen von Dünkirchen in ben Monaten
Juli bis Oktober 125 Schmugglerschiffe der französischen Polizei
als ausgelaufen gemeldet wurden, deren Ladung einen Wert von
über 1 300 000 Frs. besaß.
Dazu suchten die Engländer neue Verkehrswege auf. Sie bahnten
rege Handelsbeziehungen mit den spanischen Ländern in Süd¬
amerika an und auch die erzwungene Übersiedelung des portugisischen
Hofes nach Brasilien kam den: englischen Handel zugute. Vor allem
richteten sie die furchtbare Waffe ihrer Flotte gegen alle Staaten,
welche sich freiwillig oder gezwungen dem napoleonischen System
angeschlossen hatten. Die Beutezüge der englischen Korsaren ver¬
nichteten den französischer: Seehandel, in dem sie die feindlichen
Schiffe kaperte:: und die Kolonien der Franzosen in Besitz nahmen.
Wenn der französische Seehandel vor der Revolution an 50 000 See¬
leute beschäftigt und reichlichen Geivinn abgeworfen hatte, so blieb