Full text: Lesebuch für kaufmännische Schulen

159. Die alten Zollschranken. 
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159. Die alten Zollschranken. 
Es ist eine allbekannte Sache, daß unser deutsches Vaterland 
früher in ungleich mehr Länder und Ländchen zerrissen war als jetzt 
und daß zwischen jedem Lande Zollschranken errichtet waren, die 
jedes Land von: andern wirtschaftlich trennten. 
Da mochte man zu jener Zeit von Norden nach Süden oder von 
Westen nach Osten reisen, man stieß zuweilen alle paar Stunden aus 
einen Schlagbaum. Bei jedem Schlagbaum befand sich ein Zoll¬ 
haus und vor jedem Zollhaus standen Zollwächter. Diese Tag und 
Nacht strenge Wacht haltenden Beamten fragten jeden Reisenden, 
ob er etwas „Zollbares" bei sich habe; nach Befinden durchsuchten 
sie das Gepäck oder gar die Taschen desselben nach zollbaren Waren 
oder Sachen. Schöpften die Zollbeamten Verdacht, so schleppten sie 
ihre Opfer mit ins Zollhaus, wo sie gründlich untersucht wurden. 
Fand man etwas Zollpflichtiges, was der Reisende verschwiegen 
hatte, so wurde die eingeschmuggelte Ware „kontreband" gemacht, 
d. h. sie wurde dem Besitzer als eingeschmuggelt weggenommen. 
Außerdem mußte der letztere noch tüchtige Strafgelder bezahlen. 
Besonders gründlich wurden die Wagen untersucht, selbst Kutsch¬ 
wagen waren nicht ausgeschlossen. 
Um die Zollplackereien, die damals in Deutschland herrschten, 
recht deutlich zu machen, will ich eine Geschichte erzählen: 
Ein Professor aus Thüringen reiste zur Ferienzeit des Jahres 
1821 mit seiner Gattin nach Bremen, wo sie Verwandte besuchen 
wollten. Sie hatten sich ein Lohngeschirr gemietet und fuhren 
damit in der schönen Sommerzeit nach Norddeutschland. 
In Bremen hörte die Professorin, wie außerordentlich billig 
die Kolonialwaren zu erstehen waren, und konnte der Versuchung 
nicht widerstehen ein Säckchen Kaffee dort zu kaufen. Dieser Handel 
lvar geschlossen worden, als der Herr Professor gerade nicht zugegen 
war. Als dieser aber von dem Säckchen Kaffee hörte, welches, im 
Wagen versteckt, heimlich mit über die Grenze genommen werden 
sollte, so war er darüber sehr ungehalten und verlangte, daß der 
Handel rückgängig gemacht werde. Die Frau Professorin versprach 
dies endlich uni ihren Gatten zu beruhigen. 
Ohne Sorgen bestieg daher der Professor seinen Kutschwagen 
um die Heimreise wieder anzutreten; auch die Frau Professorin 
nahm in fröhlichster Stimmung im Wagen Platz und die Reise 
ging fort. 
Da der Herr Professor in Göttingen einen Kollegen hatte, mit 
dem er befreundet war, so wurde diese berühmte Universitätsstadt 
zum Reiseziel gemacht.
	        
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