37. Tobias Witt und Mills.
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Dennoch hatte er mehr von der Welt gesehen als mancher, der
sein Erbteil in Neapel oder Paris verzehrt hat. Er erzählte gern
allerhand kleine Geschichtchen, die er sich hier Utid da aus eigener
Erfahrung gesammelt hatte.
Einmal besuchte den Herrn Witt ein jilnger Anfänger, Herr
Mills; der wollte sich zrl einem kleinen Handel etwas Geld von
ihm borgen. „Viel," fing er an, „wird dabei nicht herauskommen,
das sehe ich vorher; aber es rennt rnir so von selbst in die Hände.
Da will iästs doch mitnehmen."
Witt. Und wie viel meint Er dettn wohl, lieber Mills, daß
Er braucht?
Mills. Ach, nicht viel, eine Kleinigkeit, einhundert Tälerchen
etwa!
Witt. Wemüs nicht mehr ist, die will ich Ihm geben. Recht
gern! Und damit Er sieht, daß ich Ihm gut bin, so will ich Ihm
obendrein noch etwas anderes geben, das unter Brüdern seine
tausend Reichstaler wert ist. Er kann reich damit werden.
W i l l s. Aber wie, lieber Herr Witt? Obendrein?
Witt. Es ist nichts als ein kleines Geschichtchen. — Ich hatte
hier in meiner Jugend einen Weinhändler zum Nachbar, ein gar
drolliges Männchen, Herrn Grell mit Namen. Der hatte sich eine
einzige Redensart angewöhnt, die brachte ii)u zum Tore hinaus.
Mills. Ei, das wäre! Die hieß?
Witt. Wenn man ihn manchmal fragte: „Wie stehbs, Herr-
Grell? Was haben Sie bei dem Handel gewonnen?" — „Eine
Kleinigkeit," fing er an, „ein fünfzig Tälerchen etwa. Was will
das sagen?" — Oder wenn man ihn anredete: „Nun, Herr Grell,
Sie haben auch bei dem Bankrott verloren?" — „Ach was!" sagte
er wieder. „Es ist der Rede nicht wert. Eine Kleinigkeit von einigen
hundert Talern." Er saß in schönen Umständen, der Mann; aber,
wie gesagt, jene einzige Redensart hob ihn glatt aus dem Sattel.
Er mußte zum Tore damit hinaus. Wie viel war es doch, Herr
Mills, das Er wollte?
Mills. Ich bat um hundert Taler.
Witt. Ja recht, mein Gedächtnis verläßt mich. — Aber
ich hatte doch noch einen andern Nachbar, das war der Kornhändler
Tomm. Der baute von einer andern Redensart ein ganzes großes
Haus auf mit Hintergebäuden und Warenlager. Was büuft Ihn
dazu?
W i l l s. Ei, die möchte ich wissen. Die hieß?
Witt. Wenn man ihn manchmal fragte: „Wie steh6s, Herr
Tomm? Was haben Sie bei dem Handel verdient?" — „Ach,
viel Geld!" fing er an, „viel Geld!" und da sah man, wie ihm das
Baier-Knörk, Lesebuch für kaufmännische Schulen. 5