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Abfall furchtbar zu strafen und so durch den Schrecken neuem Blutvergießen
vorzubeugen: an einem Tage ließ er in Verden an der Aller 4500 Sach¬
sen hinrichten. Diese Härte rief einen allgemeinen Aufstand aller Stämme
von der Weser bis an die Eider hervor, aber in offenen Schlachten erlitten sie
eine gänzliche Niederlage, und Karl durchzog abermals verheerend ihr ganzes
Land bis an die Elbe; da unterwarfen sich endlich Wittekind und Albion, und
da sie sich taufen ließen, so folgten ihrem Beispiel viele andere. Allerdings
brachen noch mehrere Aufstände aus, aber Karl dämpfte sie immer wieder,
und indem er viele Sachsen ins Innere des fränkischen Reiches verpflanzte und
manche Häuptlinge für sich gewann, gelang es ihm endlich, die einzelnen
Stämme nach und nach zur Annahme des Christentums und fränkischer
Beamten, sowie zur Zahlung des Zehnten an die Geistlichkeit zu bewegen.
Wohl hatte er in diesem furchtbaren Kriege die Völker wie Halme des Ackers
hingemäht, aber auf den geleerten Boden warf er wieder dem Säemann gleich
die Körner, aus denen neue Bildung und neues Glück sprossen. In Münster
und Osnabrück, Paderborn und Minden, Halberstadt, Bremen, Verden und
Hildesheim gründete er Bischofssitze, welche nicht bloß bewirkten, daß das
Christentum das edle Sachsenvolk tief und innerlich durchdrang, sondern auch
für die bürgerliche Entwickelung außerordentlich bedeutungsvoll wurden.
Während des großen Sachsenkrieges war Karl auch nach vielen anderen
Seiten hin siegreich. Schon gleich im Anfang desselben war er von einem
spanischen Statthalter gegen einen arabischen Emir zu Hilfe gerufen worden,
und in der Hoffnung, die Macht der Mohamedaner, die im Anfang des Jahr¬
hunderts aus Afrika nach Spanien hinübergegangen waren, zu brechen und so
das Frankenreich auch von dieser Seite zu sichern, führte er selbst seinen Heer¬
bann über die Pyrenäen. Er eroberte das Land bis an den Ebro und ließ
sich von den mohamedanischen Fürsten den Lehnseid schwören; auf dem Rück¬
weg aber ward er ini Gebirge von wilden Völkern überfallen und erlitt eine
empfindliche Niederlage. Hier fiel einer seiner tapfersten Feldherren, der in
Sagen hochgefeierte Roland. — Dann züchtigte er den aufrührerischen Herzog
Tassilo von Baiern, entsetzte ihn seiner Würde und verwies ihn in ein Kloster;
Baiern aber ward jetzt völlig dem Frankenreich einverleibt. Hierauf wandte
er sich gegen das wilde und räuberische Volk der Avaren, einen tatarischen
Stamm, der sich im heutigen Ungarn und Österreich niedergelassen hatte und
zwei Jahrhunderte hindurch die Plage Europas gewesen war. Karl eroberte
und verwüstete ihr Land bis an die Raab und siedelte in den gewonnenen
Strecken wieder Franken an; dann aber überließ er seinem Sohne Pipin die
Fortsetzung des Krieges, und dieser erstürmte das befestigte Feldlager der Ava¬
ren zwischen Donau und Theiß, den für unüberwindlich gehaltenen Ring,
in welchem eine unermeßliche Beute von den Raubzügen des Volkes aufgehäuft
war. — Endlich unternahm Karl zur Sicherung der Nordgrenze des Reiches
einen Feldzug gegen den Dänenkönig Gottfried, der wiederholte Einfälle in das
Land der Sachsen gemacht hatte; er erzwang einen Frieden, durch welchen auch
das nordalbingische Sachsen, das heutige Holstein, zum Frankenreiche kam.
Die Eider ward jetzt die feste Grenze zwischen Deutschen und Dänen, und
im Norden derselben warfen die letzteren zu ihrer Sicherung einen Erdwall,
das sogenannte Danewerk, auf. Auch gegen seine östlichen Nachbarn, die