Full text: Welcher die Geschichte der neuern Zeit und neuesten Zeit enthält nebst Zeittafeln zur Welt- und Culturgeschichte (Bd. 2)

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Erhaltung der äußern und innern Sicherheit Deutschlands und der Unabhängig— 
keit und Unverletzbarkeit der einzelnen (39) deutschen Staaten erklärt ward. Zu 
Frankfurt am Main sollte ein immerwährender Bundestag seinen Sitz 
haben, bestehend aus den bevollmächtigten Gesandten der 39 Staaten. Die 
Bundesversammlung sollte auftreten als ein engerer Rathmit 17 Stimmen 
(indem nur die 11 größern Staaten je eine ganze, die andern eine getheilte 
besitzen) und für besonders wichtige Gegenstände als ein weiterer Rath 
(Plenum) mit 69 Stimmen (indem Oesterreich und die fünf Königreiche 
je sechs, und auch die kleinsten Staaten mindestens je eine Stimme besitzen). 
In beiderlei Versammlungen sollte die Mehrheit der Stimmen entscheiden, 
bei tiefeingreifenden (organischen) Bundeseinrichtungen aber, bei Annahme 
oder Abänderung der Grundgesetze, bei Verfügungen über Rechte der Ein— 
zelnen oder über Religionsangelegenheiten nur die Stimmeneinhelligkeit. 
Die Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander sollten durch ein Bun— 
desschiedsgericht geschlichtet werden. Die deutsche Bundesacte gewährte 
den Anhängern der katholischen wie der protestantischen Kirche Gleichheit der 
bürgerlichen und politischen Rechte und enthielt außer andern die wichtige 
Verheißung, daß in allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung statt— 
finden und gleichförmige Verfügungen über die Preßfreiheit getroffen wer— 
den sollten. 
Der neue Bundestag unter dem beständigen Präsidium (Vorsitz) Oester— 
reichs constituirte sich zu Frankfurt am Main und wurde am 5. November 
1816 von dem Grafen Buol Schauenstein in einer feierlichen Rede 
eröffnet. So wenig nun auch diese neue, unter den Einflüssen des Aus— 
lands entstandene Verfassung geeignet zu sein schien, Deutschlands Einheit, 
Größe, Macht und Wohlfahrt zu voller Entwicklung kommen zu lassen, und 
so wenig auch die deutschen Vaterlandsfreunde, welche in unerschütterlicher 
Treue für Fürst und Vaterland Gut und Blut im heiligen Kriege und mit 
so glorxreichem Erfolge darangesetzt hatten, jene Verheißungen von Kalisch 
verwirklicht sahen; so war dennoch nach den Zeiten der Ohnmacht, der 
Schande und tiefsten Erniedrigung auch diese Gestaltung der Dinge in 
Deutschland bei treuer und weiser Verwirklichung der in der Bundesacte 
den Voͤlkern gemachten Zusicherungen noch als ein großes Glück, als der 
Anfang einer neuen aufsteigenden Bewegung zu betrachten. Insbesondere 
mußte die vergrößerte Machtstellung des fast reindeutschen Preußen, das 
für seine Anstrengungen, Opfer und Verluste nicht nur durch Zurückgabe 
der im Tilsiter Frieden abgetretenen Landestheile, sondern auch noch durch 
Verleihung eines Theils von Polen, der Hälfte des Königreichs Sachsen 
und der schönen, reichen, ehemals geistlichen Länder am Mittel- und Nieder— 
rhein belohnt wurde, den Deutschen die Hoffnung einer glorreichen Zukunft 
verbürgen. 
Ueberhaupt war es damals eine Zeit schöner Begeisterung und froher 
Hoffnungen. Die Greuel der französischen Revolution hatten gezeigt, was 
aus der modernen Welt ohne Golt und Christenthum werden müsse; die 
Zwingherrschaft der neuen Gottesgeißel hatte die Herzen und Augen empor⸗ 
gerichtet zu Dem, von dem allein noch Hülfe zu hoffen war; die Freiheits. 
kämpfer in ihrer Begeisterung („Mit Gott für König und Vaterland“) 
hatten ihr Vertrauen auf diefe Hülfe gesetzt und der zweimalige Sieg dieses 
Vertrauen herrlich gerechtfertigt. Fürsten und Völker waren von der Ueber—
	        
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