—310
Zweite Periode der Geschichte der neuesten Zeit.
Von dem Sturze Uapoleon's und der Kestauration bis auf unsere
Tage (1815 — 185).
8 102. Ein Blick auf die Hauptländer und Staaten Europa's
nach der Restauration.
J. Die kirchlichen und politischen Zustände im Allgemeinen.
Seit dem Sturze Napoleon's sind kaum vier Jahrzehnte verflossen, und
dennoch ist auch dieser kurze Zeitraum reich an denkwürdigen Greignissen.
In vielen Ländern Europa's hat man sich der Segnungen eines mehr als
dreißigjährigen Friedens zu erfreuen gehabt und diese Zeit benutzt, um die
Wunden, welche die letzten großen Kriege geschlagen hatten, wieder zu hei—
len. Insbesondere wendete man seine Aufmerksamkeit auf die Hebung der
materiellen Interessen der Völker durch Ackerbau und Gewerbe, Handel und
Industrie, Heerstraßen, Kanäle und Eisenbahnen. In allen Zweigen des
menschlichen Könnens und Wissens wurden große Fortschritte gemacht und
die Volksbildung stieg höher als je zuvor. Durch die Gerichte Gottes in
den vorübergegangenen Weltereignissen war auch in die Völker eine religiöse
Gährung hineingekommen und waren überhaupt gewaltige Kräfte aufgeregt
worden, welche entweder reformatorxisch aufbauend oder revolutionär zerstö—
rend wirken konnten. Bei Vielen war wieder ein Bedürfniß nach Umkehr
zu dem im Christenthum liegenden Heile geweckt worden. Viele fingen an
sich des Unglaubens zu schämen und gaben wieder Gott und Christo die
Ehre. Wiewohl Das, was sechs Jahrzehnte niedergerissen hatten, nicht
über Nacht wiedererstehen konnte, so zeigte sich doch namentlich unter den
Protestanten seit dem dritten Reformationsjubelfeste vom Jahre 1817
entschieden eine Wendung zum Bessern: man sehnte sich wieder nach der
gesunden Speise des göttlichen Worts, auf Kanzeln und Lehrstühlen mehrte
sich die Zahl der gläubigen Bekenner Jesu, das neuerwachte Glaubensleben
wurde bethätigt und beföͤrdert durch größere Verbreitung der heiligen Schrift,
durch erweiterte Missionsthätigkeit in der Heidenwelt, durch neue Anstalten
christlicher Liebe und Barmherzigkeit (Rettungshäuser, Kinderbewahranstalten,
Diaconissenstifte u. dergl. m.), durch Ringen der beiden bisher getrennt