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lein. Gib mir, was mein ist, wieder, und nimm zu* 
rück, was dein! 
Der Rabe sprach dagegen: Ein Irrtum ist ge¬ 
schehn, doch nicht der Stiefel wegen, am Kleid liegt 
das Versehn. Das einsehn muss ein jeder: es passt 
ein buntes Kleid und keine schwarze Feder zu diesem 
Fussgeschmeid. Als uns der Herr erweckte vom 
Schlaf mit seiner Hand, schlaftrunken noch ich steckte 
mein Haupt durch dein Gewand. So stecktest du 
das deine in meines Röckleins Zier. Gib mir zurück 
das meine, nimm du das deine dir! 
Ihr Streit war unentschieden, da hob ihr leises Ohr 
aus eines Brunnens Frieden die Schildkröt’ hoch empor. 
Sie sprach mit ernsten Tönen, und jene horchten gern: 
Was wollt ihr hadernd höhnen die Weisheit eures 
Herrn? Es that der Herr, der Meister, so wie’s ihm 
billig schien; nicht einem seiner Geister hat alles er 
verliebn. Er hat sein Gut verteilet zu vieler Pfründner 
Glück, und was im Garten weilet, ein jedes hat sein 
Stück. Dem Pfauen sich zu brüsten, hat er gestickt 
das Kleid, dem Raben nach Gelüsten geschmückt das 
Fussgeschmeid. Und wem er hat gegeben ein unge¬ 
schminktes Sein, der dank’ ihm auch das Leben, —' 
das sei sein Schmuck allein! Rückert. 
31. Traum der Gleichheit. 
Es war, wie wenn die Blumen des Feldes erwach¬ 
ten und sähen um . sich und gewahrten, wie ihre 
Häupter sich im Hauche des Windes zur Erde beug¬ 
ten, während die Bäume des Waldes nur leise ihre 
Blätter regten und ungebeugt mit Ästen und Wipfel» 
aufrecht standen und zum Himmel ragten. Da däucht 
es den Blumen schreiendes Unrecht, dass jene Stämme, 
genährt gleich ihnen aus demselben Mark der Erde 
und gepflegt vom Regen und Sonnenschein des Him¬ 
mels, über sie hinragten und unbewegt und aufrecht 
ständen, während sie, die Blumen, sich neigten und 
beugten. Und sie berieten sich und beschlossen, das3 
entweder sie auch es halten wollten gleich den Bäu¬ 
men, oder dass, wenn es nicht ginge, jene sich halte» 
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