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Ausdruck. Die Stirne noch abgeflachter als die des Mongolen,
der Backenknochen noch mehr nach vorn geschoben, die Nase breit¬
gedrückt; aber unter ihr dringt gierig das Gebiß hervor mit
schrägen, nach außen gerichteten Zähnen, wulstigen Lippen, mächtigen
Kaumuskeln. Auch die kurzen, dünnen Beine mit ihren Plattfüßen,
die langen Arme mit den schmalen Händen und selbst das harte
Wollenhaar tragen dazu bei, diesen tierischen Typus zu steigern.
Furcht, die in jedem Wesen eine unheilvolle Macht erblickt, hält
beit Neger nieder; wo er sich frei überlassen ist, verzehrt ihn die
Leidenschaftlichkeit seines sanguinischen Temperaments. Das Mittel¬
land Afrikas, von Sandwüsten umgeben, deren glühenden Lufthauch
selbst der Zugvogel vermeidet, mag der Ursitz des Negerstammes
sein. Am User der Ströme, da, wo neben grauenerregender Nackt¬
heit die Natur die ganze überschwellende Pracht ihres Reichtums
entfaltet, erwuchs dieser wildbegehrende Mensch. Eine geschichtlich
merkwürdige Erscheinung ist der Negerstamm nie gewesen. Am
bedeutendsten tritt er vielleicht in den klugen Fulahs von Guinea,
in den kühnen Nubiern, in den mannhaft stattlichen Kaffern hervor.
Dagegen stehen wohl die räuberischen Buschmänner und die Hotten¬
totten am niedrigsten. Selbst Tieren gleich, verschlingen sie big
Eingeweide und sogar den Kot der Tiere, und von Würmern ange¬
fressenes Aas ist ihnen ein Leckerbissen. Die Neger bewohnen
Mittel- und Südafrika, einen Teil des australischen Festlandes und
mehrere Inseln der Sundagruppe.
Als vermittelnde Übergangsformen hat man zwischen diese
drei die kupfer- oder richtiger rostbraune amerikanische
und die schwarzbraune malayische Abart gestellt. In dem
amerikanischen Typus wiederholt sich die viereckige Schädel¬
bildung des Mongolen. Dasselbe breite Gesicht, dieselbe abgeplattete
Stirn, dieselbe Entwicklung der Backenknochen. Aber die Nase tritt
lang und markig hervor, das tiefliegende, große Auge blickt voll
ruhigen Ernstes, das dunkle Haar, obschon sparsam, hängt straff
herab. Auch die Körpergestalt des Indianers hat einen durchaus
kraftvollen Ausdruck, den die metallische Hautfarbe und der kriege¬
risch barocke Schmuck der Tättowierung, Bemalung u. s. w. noch
erhöht. Es sind wilde Stämme mit all dem energischen Spürsinn,
mit der zähen Ausdauer und List, der kalten Schweigsamkeit und
Grausamkeit des Jägers. Vorsichtig, mißtrauisch und nie ohne
die schützende Waffe, haben sie doch unter sich selbst zu wenig Einig¬
keit gehabt, um die auf sie eindringenden Fremden abzuweisen.
Nach langen und verzweifelten Kämpfen sind sie immer tiefer in
die Abgeschiedenheit der Ürwälder und der Savannen zurückge¬
flüchtet: ein Geschlecht barbarischer Helden, einsam dahinsterbend.
— Welche Vildungsfähigkeit demselben innewohnte, beweisen die
Trümmer altmexikanischer und peruanischer Kultur. In diesen
Ländern mußte der rote Jäger, durch unbekannte Verhältnisse ge¬
trieben, die Trägheit eines wilden Lebens aufgeben, um gegen die