Full text: Lehr- und Lesebuch für die gewerblichen Fortbildungsschulen Bayerns

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auch keine Gewalt ihn zwingen könne, wider Gottes Gebote 
Zu thun. 
Ein wackerer Soldat soll die Gerechtigkeit und Freiheit 
über alles lieben und für diese freudig das Schwert ziehen; denn 
ein anderer Krieg gefällt Gott nicht, der einst von jedem Tropfen 
unschuldig vergossenen Blutes Rechenschaft fordern wird. 
(Sin wackerer Soldat soll nicht prunken mit der äußern 
Ehre, noch sich auf Eitelkeit blähen; sondern die Treue gegen 
das Vaterland soll seine Ehre sein und sein stiller Mut seine 
höchste Zierde. Arndt. 
48. Vermächtnis eines Vaters an seinen Sohn. 
Die Zeit kommt allgemach heran, mein lieber Sohn, daß ich 
den Weg gehen muß, den man nicht wiederkommt. Ich kann Dich 
nicht mitnehmen und lasse Dich in einer Welt zurück, wo guter 
Rat nicht überflüssig ist. Ich habe die Welt länger gesehen, als 
Du. Es ist nicht alles Gold, mein Sohn, was glänzt; ich habe 
manchen Stern vom Himmel fallen und manchen Stab, auf den 
man sich stützte, brechen sehen. Darum will ich Dir einigen Rat 
geben und Dir sagen, was ich gefunden habe, und was die Zeit 
mich gelehrt hat. Hänge Dein Herz an kein vergänglich Ding! 
die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, lieber Sohn, wir müssen 
uns nach ihr richten. Was Du sehen kannst, das siehe und brauche 
Deine Augen, und über das Unsichtbare und Ewige halte Dich an 
Gottes Wort. Scheue niemanden so viel als Dich selbst. Inwen¬ 
dig wohnt in uns der Richter, der nie trügt und an dessen Stimme 
uns immer mehr gelegen ist, als an dem Beifall der ganzen Welt. 
Nimm es Dir vor, mein Sohn, nichts wider seine Stimme zu thun, 
und was Du sinnest und vorhast, schlage zuvor an Deine Stirn 
und frage ihn um Rat. Er spricht anfangs nur leise und stammelt, 
wie ein unschuldiges Kind; doch, wenn Du seine Unschuld ehrest, 
löset er gemach seine Zunge und wird Dir vernehmlicher sprechen. 
— Verachte keine Religion. Es ist leicht zu verachten, und ver¬ 
stehen ist viel besser. Nimm Dich der Wahrheit an, wenn Du 
kannst, und laß Dich gern ihretwegen hassen. Doch wisse, daß 
Deine Sache nicht die Sache der Wahrheit ist, und hüte Dich, daß 
sie nicht in einander fließen. Thue das Gute vor Dich hin, und 
kümmere Dich nicht, was daraus werden wird. Mache niemandem 
graue Haare; doch wenn Du Recht hast, hast Du um die grauen 
Haare nicht zu sorgen. Hilf und gib gern, wenn Du hast, itub 
dünke Dich darum nicht mehr, und wenn Du nichts hast, so habe 
den Trunk kalten Wassers zur Hand und dünke Dich darum nicht 
weniger. — Sage nicht immer, was Du weißt, aber wisse immer, 
was Du sagst. — Nicht die Frömmelnden, aber die frommen 
Menschen achte und gehe ihnen nach. Ein Mensch, der wahre 
Gottesfurcht im Herzen hat, ist wie die Sonne, die da scheint und 
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