Full text: Für allgemeine Fortbildungsschulen mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse des gewerblichen Lebens (Theil 1)

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Ter Mensch und das Thier. 
Etwas Derartiges findet statt bei der Zugluft. Zug ist ein kühler Luftstrom, der 
in schneller Bewegung ist.1 Er entsteht, wenn die Luft aus einem kühlen Raum z. B. von 
außen oder aus einem kühlen Gange, durch eine enge Oesfnung in einen erwärmten 
Raum hineinströmt. Darum fühlen wir den Zug hauptsächlich an Ritzen und Oeffnun- 
gen in Thüren und Fenstern. Weil der schnelle kalte Luftstrom dem Körper schnell 
Wärme entzieht und denselben allzu sehr abkühlt, so kann man sich dadurch, daß man 
sich der Zuglust aussetzt, sehr leicht erkälten. 
In bewegter Luft kühlt sich der Körper also rascher ab als in stiller Luft. Die 
Außenluft ist nun aber niemals in vollkommener Ruhe, selbst nicht in der sogenannten 
Windstille. 
Meistens ist die Bewegung der Außenluft für uns sehr merklich, d. h. es herrscht 
ein stärkerer oder schwächerer Wind. Wenn wir nun unsern Körper ganz der bewegten 
Luft bloß stellen, dann verlieren wir zu viel Wärme. Bedecken wir uns aber mit 
Kleidern, so ist zwischen unserer Haut und der Kleidung auch noch wohl Luft, allein 
diese Luft hat nur eine sehr geringe für uns kaum merkbare Bewegung, und jeden¬ 
falls ist sie viel ruhiger als die Außenluft. 
Wir verlieren also viel weniger Wärme unter den Kleidern an die Luft, als es 
an der Außenluft der Fall sein würde, wenn wir nackt wären. 
Aus dem Holländischen übersetzt von Dr. Jütting. 
75. Das Pferd. 
Welches Thier könnte man wohl mit dem edlen Rosse an inneren und äußeren 
Vorzügen vergleichen? Feuer und Muth, Klugheit und Treue, Majestät und 
Schönheit sind seine Eigenschaften, wenn sie der Mensch nicht durch Mißbrauch 
und Grausamkeit herabwürdigt oder entstellt. Seine Wildheit ist Stolz, sein 
Muth fürchtet weder Feuer noch Abgrund, seine Schnelligkeit beschämt den Wind 
und seine Ausdauer selbst seine Peiniger. Die Verschiedenheit und Mannig¬ 
faltigkeit der Racen theilt es ebenso, wie den Blick und den Adel nur mit seinem 
Herrscher, dem Menschen. Von dem edlen arabischen Rosse, dem Pfeile der Wüste, 
bis zum häßlichen, sibirischen Wildpferde, dem Bewohner der Steppe, stufen 
sich unzählige Racen und Gattungen in wechselnden und herrschenden Farben 
ab. Das prächtige, edle, arabische Pferd verliert von seiner Schönheit, Gut¬ 
artigkeit und malerischen Form, wenn man es von seinem Geburtslande und 
seinen Gewohnheiten in unsere kalten Klimate, in die Dunkelheit und Ein¬ 
samkeit unserer Ställe verpflanzt. Man muß es vor der Thür des Zeltes der 
Araber der Wüste sehen, wie es, den Kops zwischen den Beinen, die lange 
Mähne schüttelt, gleich einem beweglichen Sonnenschirm, und mit dem wedelnden 
Schweife seine Weichen, glänzend und glatt wie Kupfer oder Silber, streicht; 
man muß es sehen, angethan mit seinen glänzenden Schabracken, den Gold- und 
Perlenstickereien, um den Kopf ein blaues oder rothes, gold- und silberdurchwirktes 
Netz mit klingenden, flatternden Nesteln, welche von der Stirn auf die Nüstern fallen, 
und mit denen es bei jeder Schwingung des Halses den feurigen, großen, klugen, 
sanften und stolzen Ball seines hochgewölbten Auges bald verhüllt, bald ent¬ 
schleiert, besonders aber muß man es sehen zu zwei oder drei hundert, die einen 
im Staube gelagert, die andern mit Ringen gefesselt, noch ander« losgerissen und 
im Sande mit einem Sprunge über die Reihen der Kameele, welche sich ihnen 
entgegenstellen, hinwegsetzend. Diese werden von jungen, schwarzen Sclaven in 
rothen Westen geführt und legen schmeichelnd den Kopf auf die Schultern der
	        
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