Full text: Für allgemeine Fortbildungsschulen mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse des gewerblichen Lebens (Theil 1)

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Natur- und Culturleben. 
eine Last; es ist unangenehm von dem Ertrage seiner Arbeit, seines Geschäftes, 
seines Vermögens etwas abgeben zu müssen. Es fragt sich nun hierbei, ob die 
Abgaben gerecht oder ungerecht, ob sie nothwendig oder nicht, und im einzelnen 
Falle, ob sie zu hoch sind. Es dürfte nicht ohne Interesse sein, auf diese 'Fragen eine 
Antwort zu erhalten. 
Zunächst wäre hier zu untersuchen, was Abgabe überhaupt sei. Die Ab¬ 
gabe ist der Beitrag, den jeder einzelne Bürger zu den Kosten des Staates beiträgt. Was 
ist der Staat? Der Staat ist die Vereinigung einer Menschenmenge, die durch 
Sprache, Abstammung u. s. w. verbunden ist. Bei jeder Vereinigung mehrerer 
zu einem Zwecke gibt der einzelne einen Theil seiner Rechte auf, oder er über¬ 
nimmt Pflichten gegen die andern oder das Ganze. Das ist natürlich und noth¬ 
wendig, weil sonst der erste Begriff des bürgerlichen Lebens, das Recht des Be¬ 
sitzes, nicht möglich wäre. Damit diese gegenseitigen Rechte und Pflichten 
bestimmt werden, damit eine Ordnung in dem Ganzen herrsche und nicht jeder 
darauf angewiesen ist, bei vorkommenden Fällen sich selbst helfen zu müssen, be¬ 
stehen Gesetze und neben diesen Leute, welche für Aufrechterhaltung derselben Sorge 
tragen. Letztere begreift man unter dem Namen Behörden, Regierung, Obrigkeit. 
Eine Vereinigung einer gewissen Menge von Menschen, die nach denselben Ge¬ 
setzen, unter derselben Obrigkeit leben, nennt man einen Staat; den einzelnen 
Menschen aus jener Menge einen Staatsbürger. Ein solcher Staat besteht noth¬ 
wendig und rechtlich. Deshalb ist es auch die natürliche Pflicht jedes Einzelnen 
sich den Einrichtungen und Gesetzen des Staates zu unterwerfen, in welchem er lebt. 
Diese natürliche Pflicht schreibt uns auch die Religion vor, welche Gehorsam gegen 
die Gesetze gebietet. 
Das Bestehen des Staates ist aber nicht möglich ohne eine fortdauernde 
Thätigkeit desselben. Es müssen immer neue Einrichtungen getroffen, die Mittel 
des Verkehrs vermehrt und verbessert, neue Gesetze erlassen und die Befolgung der¬ 
selben überwacht werden; der Staat muß zum Schutze gegen fremde Anmaßungen 
und mögliche Feindseligkeiten eine Kriegsmacht haben, sie ausbilden, das Kriegs¬ 
material vermehren, im Stande halten u. s. w. Der Staat hat ferner die Ver¬ 
pflichtung in unserer Zeit, für die Bildungsanstalten zu sorgen. Alles dieses zu¬ 
sammen nennen wir aber die fortdauernde Thätigkeit des Staates, ohne welche er nicht 
bestehen kann. Allein es ist klar, daß diese fortdauernde Thätigkeit bedeutende Summen 
kosten muß. Denn einmal müssen die Leute, welche für den Staat arbeiten (Staats¬ 
diener, Beamte) besoldet werden, anderntheils erfordern die Bauten und andere 
Einrichtungen, welche der Staat unternimmt, bedeutende Ausgaben. Da der 
Staat die Gesammtheit der Staatsbürger ist, so muß natürlich jeder Einzelne 
seinen Antheil zu den nothwendigen Ausgaben des Staates beitragen. Es würde 
demnach wohl die Nothwendigkeit und Gerechtigkeit der Abgaben überhaupt nicht 
bestritten werden können. 
Eine zweite Frage würde die sein, ob die Abgaben nützlich sind, d. h. ob der 
Besteuerte für seine Steuern wirklich einen Nutzen erwirbt. 
Da wir gesehen haben, daß die Abgaben zum Bestehen des Staates noth¬ 
wendig sind, so wird die Frage heißen: bringt der Staat Nutzen? Diesen wird 
wohl niemand läugnen. Der Staat sichert dem Bürger Eigenthum, gewährt
	        
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