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Geschichte des Mittelalters.
Der Franke reichet ihm die Hand: „Das war ein Wort zu seiner Zeit!
Du sollst von fränk'scher Großmuth hören; dem Kampf der Völker will ich wehren;
du, denke dieser Stunde heut'; ich bin der König Karl genannt."
Der Sachse reicht ihm auch die Hand: „Hast fränk'sche Großmuth du ge¬
nannt, so lern' auch Sachsentreue kennen. Ich will dir deinen Gastfrennd nennen:
Herr Karl, du bist in mächt'ger Hand, ich bin der Wittekind genannt."
Da rief der Karl: „Ja, treu und frei! Das edle Roß, das ist dein Bild.
Nun soll der goldene Frieden tagen; du sollst die Herzogskrone tragen; das weiße
Roß, das führ' im Schild, für ewig sei es treu und frei!" Max v. Oer.
13. Otto I. der Große.
Sein Tod war ein Weltereignis. Ueberall fühlte man den Verlust des
mächtigsten Fürsten, in nächster Nähe wie in weitester Ferne. Wie tief trauerte
Sachsen, das unter ihm zu früher nie geahnter Blüte gediehen war! Man sah
es als eine besondere Fügung an, daß selbst die Erde diesem Könige neue Schätze
gespendet hatte und damals in Sachsen das erste edle Metall in den Gruben zu
Goslar gefunden wurde. Die Tage seiner Regierung hießen bald Sachsens
goldene Tage, und die Alten wurden nicht müde, der Jugend die Herrlichkeit ihres
goldenen Zeitalters zu preisen.
Weiter aber schlich durch alle Gaue des deutschen Landes die Trauerklage um
den großen Kaiser. Wer hätte es nicht gewußt und bedacht, daß durch seine
Mannheit und Klugheit allein das deutsche Volk zum ersten des Abendlandes
erhöht war und die Geschicke der lateinischen Christenheit in seinen Händen trug;
daß die lange darniedergehaltene, aber auch ungebrochene Kraft Deutschlands
durch ihn erst sich wieder frei gemacht und aufgerafft hatte! Hatte denn nicht die
römische Kaiserkrone auf seinem Haupte gestrahlt, und er auf demselben Throne
gesessen, den einst der mächtige Frankenkönig unvergeßlichen Andenkens, Karl der
Große, eingenommen hatte? Rom bebte vor ihm, und die Päpste waren die
Diener seines Willens; selbst das starre Byzanz hatte zuletzt doch seiner Forderung
weichen müssen.
Und nicht seinen glänzenden Thaten allein, auch seiner Person galt die Be¬
wunderung, die er in der letzten Zeit seines Lebens und nach dem Tode genoß
Der erste Blick ließ in ihm den geborenen Herrscher erkennen, dem das Alter nur
neue Hoheit und Majestät verliehen hatte. Seine Gestalt war fest und kräftig,
aber dabei nicht ohne Anmuth in Bewegung, noch in den späten Jahren war er
ein rüstiger Jäger und gewandter Reiter; im gebräunten Gesicht blitzten helle,
lebhafte Augen, spärliche graue Haare bedeckten das Haupt, der lange Bart wallte
gegen die alte Sitte der Sachsen lang auf die Brust herab, die gleich der des
Löwen dicht bewachsen war. Er trug die heimische Kleidung und mied aus¬
wärtigen Prunk; auch sprach er nur seine sächsische Mundart, obschon er des
Romanischen und Slavischen nicht ganz unkundig war. Sein Tag verstrich
zwischen Arbeit und Gebet, Staatsgeschäften und Kirchendienst; die Nachtruhe
maß er sich kärglich zu, und da er im Schlaf zu sprechen pflegte, schien er auch
zu wachen. Freigebig, leutselig und freundlich, zog er wohl die Herzen an sich,