Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

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So erreichen wir auf der abwärts führenden Reitgaffe das 
Universitätsgebäude, das sich auf der Stätte des ehemaligen Domi¬ 
nikanerklosters erhebt und 1874 bis 1878 erbaut wurde. Es bildet 
mit den zugehörigen Häusern ein großes Viereck und zeigt monu¬ 
mentale Prachtbauten in frühgotischem Stil aus scharrierten, mit 
gefurchter Oberfläche versehenen weißen Sandsteinquadern. Den 
mächtigsten Eindruck gewinnt man von der Südseite der Univer¬ 
sität, welche hier in ihrem stolzen Aufbau erst ganz zu Tage tritt. 
Neben der reichen Anzahl von altehrwürdigen, mehr oder 
minder interessanten Bauwerken, welche uns auf der Wanderung 
durch die Stadt allerorten entgegentreten und welche eingeschmiegt 
und angepaßt der bergigen Anlage der Straßen und Plätze der 
Stadt dieser ein unvergleichlich eigenartiges Gepräge geben, nimmt 
das auf dem steilen Wege zur Kuppe des Höhenzuges erreichte 
Schloß unsere Aufmerksamkeit ganz besonders in Anspruch. 
Das in seinen ältesten Teilen bis zum 13. Jahrhundert zurück¬ 
reichende Schloß umfaßt eine Menge der verschiedenartigsten Gebäude 
uud Flügel, welche von alten, trotzigen Ringmauern umschlossen 
werden. Ursprünglich als Burg erbaut und als solche zuerst um 
die Mitte des 13. Jahrhunderts geschichtlich erwähnt, ist diese im 
Laufe der folgenden Jahrhunderte je nach Bedürfnis und Geschmack 
in vielgestalteter Form und Weise erweitert'und vergrößert worden. 
Gebäude in den mannigfaltigsten Baustilen wechseln mit anmutigen 
Gärten und Terrassen. Durch die verschiedenen Kriege im 17. itnd 
18. Jahrhundert erlitt das Schloß zwar eine bedeutende Einbuße 
seines mittelalterlichen Charakters. Manche historische Ecke wurde 
umgebaut, einige Teile sogar entstellt. Allein trotz aller Verände¬ 
rungen bildet das Schloß noch heute eine Gruppe höchst malerischer 
mittelalterlicher Gebäude, die, von verschiedenen Seiten betrachtet, 
einen mächtigen Eindruck machen. 
Bieten die Gebäude eine reiche Fundstätte für den Kunst¬ 
verständigen im Vaufache, so birgt das Innere des Schlosses außer 
vielem Altertümlichen und Sehenswürdigen eine schöne Sammlung 
von allen Kunstgegenständen des ehemaligen Kunstgewerbes ini 
Hessenlande. Seinem eigentlichen Berufe ist das Schloß längst ent¬ 
zogen. Es wird heute mit seinen hierzu geeigneten Teilen und 
Räumen zu Dienstwohnungen und zur Unterbringung des König¬ 
lichen Staatsarchivs benutzt. 
Die Stadt blickt auf eine bewegte, ereignisreiche Vergangen¬ 
heit zurück. Hatte im frühen Mittelalter der Ruf der heiligen 
Elisabeth die kleine hessische Stadt zu Ansehen gebracht, so gewann 
sie neue Bedeutung, als Landgraf Philipp nach Einführung der 
Reformation die erste protestantische Universität, die Alma Mater 
Philippina, hier gründete. Doch Heimsuchungen aller Art, unter
	        
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