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Einfall, eine mit gewöhnlichen Lettern gesetzte Seite in eine weiche
Erde einzudrücken und diesen vertieften Eindruck durch Siegelwachs
erhaben zu gestalten, wie eine in Holz geschnittene Zeile. So kam
er auf die Kunst des Stereotypendrucks. Dann wieder ätzte er
Kupferplatten. Statt der sich rasch abnutzenden Kupferplatte nahm
er später eine Kehlheimer Schieferplatte. Durch Zufall fand nun
Senefelder, daß man den Stein auch als Hochdruckform, also fast
wie einen Holzschnitt verwenden könne. Irrigerweise glaubte er
damit eine ganz neue Erfindung gemacht zu haben, da ihm die
Arbeiten eines gewissen Schmidt, der geistlicher Rat in Miesbach war,
unbekannt geblieben waren. Dieser Schmidt hatte schon zehn Jahre
früher als Senefelder Hochätzungen auf Stein ausgeführt und ver¬
sucht, dieselben wie einen Holzschnitt abzudrucken. Er wurde später
irrtümlicher Weise als Erfinder der Lithographie bezeichnet.
Die Entdeckung also, die Senefelder zuerst gemacht zu habeu
meinte, bestand darin, auf erhabene Art auf Steine zu ätzen und
nach der Art der Holzschnitte hiervon Abdrücke zu machen.- Diese
Entdeckung verdankte Senefelder einem Zufalle, der ja bei so vielen
Entdeckungen und Erfindungen eine große Rolle spielt. Senefelder
erzählt dies mit folgenden Worten:
Ich hatte eben eine Steinplatte sauber abgeschliffen, um sie nach¬
her wieder mit Ätzgrund zu überziehen und darauf meine Übungen
im Verkehrtschreiben fortzusetzen (denn Senefelder benutzte den Stein
anfänglich nur als Ersatz für die teuren Kupferplatten), als meine
Mutter von mir einen Waschzettel geschrieben haben wollte. Die
Wäscherin wartete schon auf die Wäsche, es fand sich aber nicht gleich
ein Stückchen Papier bei der Hand; mein eigener Vorrat war durch
Probedrucke zufällig zu Ende gegangen; auch die gewöhnliche Schreib¬
tinte war eingetrocknet, und da niemand, um frische Schreibmate¬
rialien herbeizuschaffen, zu Hause war, so besann ich mich nicht lange
und schrieb den Waschzettel einstweilen mit meiner vorrätigen, aus
Wachs, Seife und Kienruß bestehenden Steintinte auf die abge¬
schliffene Steinplatte hin, um ihn, wenn frisches Papier geholt sein
würde, wieder abzuschreiben.
Als ich nachher diese Schrift vom Stein wieder abwischen
wollte, kam mir auf einmal der Gedanke, was denn aus so einer
mit dieser Wachstinte auf Stein geschriebenen Schrift werden würde,
wenn ich die Platte mit Scheidewasser ätzte, und ob sie sich nicht
vielleicht nach Art der Buchdrucker-Lettern oder Holzschnitte ein¬
schwärzen und abdrucken ließe. Eine Mischung von 1 Teil Scheide¬
wasser und 10 Teilen Wasser lies ich 5 Minuten lang 2 Zoll hoch
auf der beschriebenen Steinplatte stehen; die Platte war nach Art
der Kupferstecher mit einer Einfassung von Wachs versehen, damit das
Wasser nicht ablaufen konnte. Nun untersuchte ich die Wirkung