Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

240 
„Sie können indes ganz ruhig sein," fährt unser Nachbar fort, 
der den Gang meiner Gedanken zu ahnen scheint. „Das Tau 
bietet sechsfache Sicherheit und ist übrigens erst gestern, wie all¬ 
monatlich, auf der Zerreißmaschine untersucht worden. Außerdem 
haben wir über uns eine Fangvorrichtung, die beim Reißen des 
„Fadens" sicher funktionieren würde... Tatsächlich kommt es äußerst 
selten vor, daß uns ein Förderkorb durchbrennt..." 
Inzwischen hatte die Geschwindigkeit des Falles allmählich 
immer mehr nachgelassen . . . Lichter blitzen von außen her in unser 
enges Behältnis hinein, und dann hält das Gefährt mit einem 
kaum merklichen Ruck, der Zeugnis gibt, mit welcher Sicherheit 
der Maschinist hoch oben die Dampfkraft beherrscht . . . wir sind 
angelangt. 
„In welcher Tiefe befinden wir uns?" frage ich unseren 
Führer, nachdem wir festen Boden gefaßt und durch ein Gewirr 
von Kohlenwagen einen Ausweg gesucht hatten. 
„Nun, so etwa sechshundert Meter mögen's sein — eine ganz 
hübsche Tiefe, nicht wahr?" 
Wir stimmen dem zu und schauen uns mit Interesse ringsum. 
In einem hohen Gewölbe stehen wir, das von einer großen Petro¬ 
leumlampe hoch oben unter der Decke und den zahlreichen Gruben¬ 
lichtern in den Händen der schwarzen Gestalten umher nur spärlich 
erleuchtet wird. Starke, eiserne Träger stützen die Decke, sie stehen 
dicht nebeneinander: zwei senkrecht und der dritte wagerecht darüber 
— ein Gerüst von gewaltiger Stärke — aber dieser Schutz ist 
noch immer nichts weniger als vollkommen. Die Träger erscheinen 
vielfach nach unten durchgedrückt von der ungeheuren Last des 
Hangenden, die auf ihnen ruht. 
Inzwischen ist der Korb noch tiefer in den Schacht hinab¬ 
gelassen worden und muß eine Anzahl leerer Wagen hergeben, die 
zugleich mit uns herabgekommen waren. Die Arbeit geht mit großer 
Schnelligkeit von statten, lange Reihen gefüllter Wagen stehen schon 
bereit, und in wenigen Minuten schwebt der Förderkorb gefüllt 
wieder zur Höhe. 
Mit lautem Glückauf, das eigentümlich dumpf in dem eisen- 
umspannten Gewölbe wiederhallt, verlassen wir die Leute am Füll¬ 
ort und schreiten, auf unseren Stab gestützt, durch die schmalen 
Schienengeleise in das dichte Dunkel vor uns. Unsere Sicherheits¬ 
lampen werfen nur schwachen Schein auf den Weg vor uns hin. 
Da — wir bleiben unwillkürlich stehen — drang es nicht aus 
einem Gange zur Linken wie lautes Wiehern? 
„Die Pferdeställe," sagt der Steiger. Er geht uns voran 
in den finstern Gang; zwei einsame Lichter schimmern uns ent¬ 
gegen wie aus weiter, weiter Ferne, und nach einer kurzen Weile
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.