Full text: Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin

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zu entrinnen. Hier weht nämlich regelmäßig in einen: halben 
Jahre Nordostwind und bringt der Ostküste Regen, im andern hal¬ 
ben Jahre Südwestwind und bringt der Westküste Regen. Die 
Regenzeit vertritt die Stelle des Winters. Somit herrscht auf 
der einen Küste Winter, während auf der andern Sommer ist, 
und es bedarf nur einer Reise von wenigen Tagen, um ans dem 
Sommer in den Winter und aus dem Winter in den Sommer zu 
gelangen. Im Süden der Halbinsel, wo die an beiden Küsten 
entlang laufenden Gebirge zusammentreffen, liegen die „blauen 
Berge", deren reine, milde Luft so wohlthätig wirkt, daß Kranke 
oft dahin gehen und Gesunde gerne die schwüle Gluth des Tief¬ 
landes auf einige Zeit mit der reinen, kühlen Bergluft ver¬ 
tauschen. 
Pflanzen und Thiere Vorder-Jndiens. 
Der Reichthum der indischen Pflanzenwelt ist unermeßlich. Der Tikbaum 
mit seinen 3 Fuß langen, 1£ Fuß breiten, unten silberweiß glänzenden Blättern 
ist mächtig, wie unsere Eiche, und hat ein noch festeres Holz. An 100 Fuß 
steigt die schlanke Palme empor, von der es hier mehr denn 20 Arten giebt. 
Der Banianenbaum senkt aus der Höhe von 100 Fuß Rauken zur Erde, welche 
wieder Wurzeln schlagen und einen neuen Baum bilden, so daß in kurzer 
Zeit ein einziger Baum sich in einen Wald verwandelt, durch dessen dichtes 
Laub kein Sonnenstrahl hindurchdringen kann. Eine Baniane bei Patra hat 
60 Hauptstämme, und ihr Schatten hat um Mittag 1500' im Umfange. Die 
baumartige Banane dagegen treibt jährlich Stämme von 20' Höhe mit 
Blättern von 10' Länge und 2' Breite und trägt eßbare Früchte von 30 U. 
In den sumpfigen Niederungen wächst das Bambusrohr zu solcher Mächtigkeit, 
daß es zu Röhrenleitungen und Häuserbauten benutzt wird. Der Mango- 
bäum trügt die köstliche Mangopflaume, die so groß ist wie ein Gänseei und 
einen schmackhaften Kern von der Größe einer Eichel hat. Das Ebenholz 
Indiens war schon bei den Alten berühmt. Das Zuckerrohr ist hier recht 
eigentlich zu Hause. Baumwolle, Indigo, Zimmt, Pfeffer und Ingwer 
werden in großer Menge gebaut. Der Reis giebt in manchen Gegenden 
jährlich 2 — 4 Ernten. Die Pracht der Blumen ist unbeschreiblich. Leider 
wird auch viel Mohn gebaut, mit dessen Saft sich Tausende an Leib und 
Seel vergiften. 
Eben so reich ist Ostindien an Thieren. Der kluge Elephant, der blut¬ 
gierige Königstiger, der gewaltige Löwe Hausen in den Wäldern neben 
Scharen von Affen, Wölfen, Hyänen, Hirschen und wilden Thieren aller Art. 
Pfauen, Papageien und andere buntgefiederte Vögel haben recht ihre Heimath 
in Indien. An fünfzig Arten von Schlangen, von der 40 Fuß langen Boa 
bis zu der nur 9 Zoll langen Kobra, deren Biß in einer Viertelstunde 
tödtet, drohen beständig Tod und Gefahr. Durch die Fenster und Thüren 
und Ritzen dringen diese Thiere in die Häuser und bereiten ihr Nest in den 
Kleidern und Vorrüthen der Menschen. Der giftige Skorpion schlägt sein 
Lager am liebsten in Pantoffeln oder Schuhen auf. Die weiße Ameise zer¬ 
frißt das Holzwerk in den Häusern; das Krokodil stellt dem Badenden nach.
	        
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