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Zum Abschied. 19
Wie gut, daß uns ein Tag gesetzt ist, wo wir stille Einkehr bei
uns selber halten und ein Leben fördern können, das da reicht bis in
die Ewigkeit! Des Werktags Getriebe wirft allerlei Ruß und Schlacken
darauf. Wie nötig ist es der Seele darum, daß sie in die Sonutags-
wäsche genommen werde! Da wird sie wieder frisch und lebendig,
springt und ist fröhlich wie das Lämmlein auf der Aue.
A. TammS.
10. Zum Abschied.
Ansprache bei Entlassung der Schüler.
'Wiederum ist ein Schuljahr für unsere Schule dahin¬
gegangen, und damit ist der Augenblick gekommen, in welchem
Sie, meine jungen Freunde, von der Schule Abschied nehmen
-— zum größten Teile, um nach zurückgelegter Lehrzeit und
demnächst nach bestandener Gesellenprüfung nun als Gesellen
in die Welt und das Leben hinauszugehen. Ein ernster, be¬
deutungsvoller Augenblick!
Sie haben nun die Lehrjahre hinter sich. Sie haben die¬
selben benutzt, um sich die Kenntnisse und Fähigkeiten zu
erwerben, die Sie instand setzen sollen, ein tüchtiger Geselle
und dermaleinst ein tüchtiger, angesehener Meister zu werden.
Vor allem in der Werkstätte, wo Sie unter der Leitung er¬
fahrener und geschickter Meister die praktische Ausübung Ihres
Handwerks gelernt und sich mit dem täglichen Geschäftsgänge
im Handwerke vertraut gemacht haben. Aber daneben haben
Sie, wie das Gesetz es vorschreibt, auch die Schule besucht.
Freilich mancher hält dies für überflüssig und meint, man könne
die Schule entbehren. Wie verkehrt! Durch die Entwicklung
der Neuzeit sind die Anforderungen, die an das Handwerk ge¬
stellt werden, ganz außerordentlich gewachsen, und nur wer
diesen höheren Ansprüchen genügt, kann hoffen, vorwärts zu
kommen. Und dazu soll gerade die Schule die Hand bieten.
Hier haben Sie Gelegenheit gehabt, das in der Werkstatt
praktisch Geübte auch geistig erfassen und verstehen zu lernen,
indem Sie in Rede und Schrift es wiederholten; der Zeichen¬
unterricht hat Ihnen das Auge geschärft, die Hand sicher
gemacht und hat Ihren Sinn für die Schönheit der Formen
geweckt. Sie haben gelernt, eine ordentliche Werkzeichnung
selbst anzufertigen und damit zugleich eine fremde zu verstehen.
Sie haben gesehen, wie der Handwerker kalkulieren, wie er
buchführen muß, Sie haben sich in der geschäftlichen Korre¬
spondenz geübt, Sie haben die bedeutendsten Gesetze und Ein¬
richtungen, die das Handwerk berühren, kennen gelernt.
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