Full text: Lese-, Lehr- und Hilfsbuch für Gewerbeschulen

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Der Schlosser« 
und Akanthusfüllkelche wird vermehrt. Kartuschen, Naiuenszüge und 
Wappenschilder machen sich breit, große Palmettenmotive erscheinen 
in den Türfüllungen, und selbst geschmiedete Kränze und Guirlanden 
müssen als Verzierung dienen. Man arbeitet eben unter starker Ver¬ 
wendung von Messing und Bronze auf prunkende, große Wirkung. 
War die Schmiedekunst in der romanischen Zeit vorwiegend kirchlich, 
während der Renaissance gut bürgerlich, so ist sie in der Barockzeit 
vornehm, prunkend und repräsentierend. 
Während des 18. Jahrhunderts — dem Zeitalter des Rokokos 
(von rocaille = Grotten- oder Muschelwerk) — fand die Kunst ihre 
Pflege vorwiegend an fürstlichen Höfen, und da man den französischen 
Sitten huldigte, so war es natürlich, daß auch eine französische Ge¬ 
schmacksrichtung sich breit machte. Wie die damalige Kunst, ein Spiegel 
ihrer Zeit, leicht und lustig, oft hohl und nichtssagend war, so er¬ 
scheint auch das Schmiedewerk, auf dem Höhepunkt der technischen 
Leistungsfähigkeit angekommen, als ein duftiges Gewebe, als ein 
zierliches Gespinst, welches kaum noch an die Starrheit des harten 
Materials erinnert. Wie in der Barockzeit, so wird auch hier auf 
große Prunkstücke für Schlösser, Kirchen, Parkanlagen usw. großer 
Wert gelegt, während die Beschläge kleiner und mehr versteckt wer¬ 
den; die Schmiedekunst steht im Dienste der monumentalen Architektur. 
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann die Schmiede- 
kunst zu sinken. Es kam das Gußeisen auf, und weil nun jedermann 
den billigen Guß kaufte, so hatten die Kunstschmiede nicht genügende 
Arbeit; ihnen blieb nur noch die Herstellung von allerlei Nutzgegen¬ 
ständen für den täglichen Gebrauch. Weil aber nur Übung den Meister 
macht, so ging die alte Kunstgeschicklichkeit damit mehr und mehr ver¬ 
loren. 
VI. Der Schlosser der Gegenwart. 
Wie aber, so fragen wir mit Recht, steht es nun mit der Kunst¬ 
schmiedearbeit und dem Schlossergewerbe der Gegenwart? Wenn 
auch die Schmiedekunst in Verfall kam, so ist doch in der zweiten 
Hälfte des 19. Jahrhunderts der Sinn für die Kunstarbeit wieder 
erwacht und hat eine künstlerische Bearbeitung des Eisens aufs neue 
angeregt. Es ist darum eine erfreuliche Tatsache, daß in der Gegen¬ 
wart viele aus dem Schlossergewerbe hervorgehende Kunstarbeiten 
init denen aus früheren Zeiten hinsichtlich des Formenreichtums 
und _ der Schönheit erfolgreich wetteifern. Daß sich das heutige 
Kunstgewerbe an die Schöpfungen der früheren Meister anlehnt und 
alten Formen nachahmt, ist natürlich, aber von der reinen Nach¬ 
ahmung ist man längst zu freier, selbständiger Ausführung vor¬ 
geschritten. Durch saubere Technik des Ganzen sowie die künstlerisch 
geschmackvolle Durchführung im einzelnen hat man nicht nur das 
erreicht, was die genannten Stilarten bieten, sondern die früher 
gezeitigten Arbeiten sind teils überflügelt. 
Unsere Zeit bietet, namentlich in größeren Städten, eine Fülle 
herrlicher Portale, Gitterwerke, Geländer usw., die volle Bewunde¬ 
rung erregen. Im allgemeinen aber muß gesagt werden, daß der 
Meuter von beute nickt unabhängig genug ist. In den meisten Fällen
	        
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