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2. Der Theseustempelim Volksgarten. Dieser kleine dorische Tem-
pel wurde für die von Napoleon I. bestellte, von Kaiser Franz I. 1819 zu
Rom angekaufte Gruppe des „Theseus und Kentauren“ von Canova durch
Pietro Nobile erbaut. Die Marmorgruppe befindet sich aber heute im kunst-
historischen Hofmuseum, während im Theseustempel Funde aus Ephesos auf-
gestellt sind. Der Tempel ist dem antiken Theseustempel zu Athen fast ganz
genau nachgebildet ; doch fehlt hierder Fries, der Bilderschmuck des Giebelfel-
des, ebenso die Akroterien; auch ist die Säulenstellung hier eine andere als
dort. Die Seitenfront hat je 10 die Giebelseite 6 Säulen; (Zweck: damit auf
die Mitte des Tempels, wo sich im Fonde die Eingangstür befindet, keine
Säule entfällt).
Charakteristik des griech. Baustiles. Der griech. Tempel
ist nur Wohnung für die Gottheit, nie Versammlungsort der Betenden, dh,
bescheidenes Ausmaß. Rechteckiger Unterbau. Innenraum (Naos) eben-
falls rechteckig. Vorhalle und Hinterhalle, Peripteros. (Säulenreihe
umstellt den ganzen Tempel. Die Säulen sind die tragenden Glieder, [K a-
pitäl: Aufnahme der Last des Gebälkes und Übertragung auf den Schaft
und mit dem Fuße Übertragung des Druckes auf Unterbau.])
Dorische Säule: ohne Fuß; verjüngt, 16—20 Kanneluren mit
scharfen Kanten; Kapitäl: KEchinus . (Wulst) und Abakus (Deckplatte);
Architrav (unterster Teil des Gebälkes) glatter Steinbalken; darüber Fries
(durch Triglyphen [= Dreischlitze] und Metopen [mit gemaltem oder pla-
stischem Schmuck] gegliedert); darüber weitausladendes Kranzgesimse
(Geison) [mit den Mutulen, d.i. viereckige Platten mit 6 „Tropfen“,] Rinn-
leiste (Sima, also Traufrinne) mit Wasserspeier. Dachflächen in flacher Nei-
gung; Akroterien = Firstziegel [aufrecht stehende Palmette). Dreieckiges
Ciebelfeld (Tympanon). Tempeltür hoch und schlank; Fenster keine, bloß
eine vergitterte Lichtöffnung. (Totalcharakter: ernste Würde, strenge Ge-
bundenheit.\
Ionische Säule. Fuß durch Hohlkehlen verziert. Schaft schlanker
als der der dorischen; Kanneluren mit Steg; Perlenschnur (Halsring) zwi-
schen Schaft und Kapitäl. Echinus als Kierstab verziert; darauf Voluten-
polster; Abakus niedrig, zierliche Blattwelle mit Eierstab. Architrav mit
Perlenschnur und Kierstab; Fries: ununterbrochenes Reliefband. — Zahn-
schnittgesims. (Gesamteindruck: anmutigeres, schlankeres Bausystem.)
Korinthische Säule: eine reichere Ausgestaltung des dorischen
und ionischen Stiles. Kapitäl besteht aus Perlstab als Halsring, dem nach
oben geöffneten Blumenkelch (Akanthusblätter; 2 Reihen von je 8 Akanthus-
blättern übereinander, aus denen 8 hohe Ranken herauswachsen, die paar-
weise Eckvoluten bilden, und 8 kleinere aus denen sich Palmetten entwik-
keln) und Abakus, Gebälk wie beim ionischen Stil.
Karyatiden an Stelle der Säulen. (Vgl. Parlamentsgebäude.) [Vgl.
Hartmann, a. a. O., Kap. 4.]