Full text: Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen

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Arbeiter die Hand zu bieten, soweit die Grenzen es gestatten, welche 
Meiner Fürsorge durch die Notwendigkeit gezogen werden, die deutsche 
Industrie auf dem Weltmärkte konkurrenzfähig zu, erhalten und dadurch 
ihre und der Arbeiter Existenz zu sichern. In der Überzeugung, daß auch 
andere Regierungen von dem Wunsche beseelt sind, die Bestrebungen einer 
gemeinsamen Prüfung zu unterziehen, über welche die Arbeiter dieser 
Länder unter sich schon Verhandlungen führen, will Ich, daß zunächst in 
Frankreich, England, Belgien und der Schweiz durch meine dortigen 
Vertreter amtlich angefragt werde, ob die Regierungen geneigt sind, mit 
Uns in Unterhandlung zu treten behufs einer internationalen Verständigung 
über die Möglichkeit, denjenigen Bedürfnissen und Wünschen der Arbeiter 
entgegenzukommen, welche in den Ausständen der letzten Jahre und ander- 
weit zu Tage getreten sind." 
Die vom Kaiser angeordneten Einladungen ergingen, und die Ab¬ 
gesandten sämtlicher eingeladenen Regierungen nahmen an den Verhand¬ 
lungen teil. Die Konferenz beschäftigte sich mit folgenden Punkten: 
1. Regelung der Arbeit in Bergwerken, 2. Regelung der Sonntagsarbeit, 
3. Regelung der Kinderarbeit, 4. Regelung der Arbeit junger Leute, 
5. Regelung der Arbeit weiblicher Personen, 6. Ausführung der verein¬ 
barten Bestimmungen. Am 29. März 1890 hatte die Konferenz ihr« 
Arbeiten beendet, und die fremden Abgesandten übermittelten ihren Regie¬ 
rungen die Ergebnisse der Verhandlungen. 
Für Deutschland gingen aus denselben zwei wichtige Gesetze hervor, 
nämlich das Gesetz über die Gewerbegerichte und das Gesetz 
über die Abänderung der Gewerbeordnung (Arbeiter¬ 
schutzgesetz). Das Gewerbegericht hat den Zweck, Streitigkeiten im 
Arbeitsverhältnis schnell und billig durch ein aus Arbeitgebern und Ar¬ 
beitern zusammengesetztes Gericht zu erledigen und bei den häufig vor¬ 
kommenden Arbeiterausständen als Einigungsamt zu dienen. 
In der Herbsttagung 1890 ging dem Reichstage der Entwurf üb« 
die Abänderung der Gewerbeordnung zu. Nach langen und anstrengenden 
Beratungen wurde derselbe am 8. Mai 1891 mit großer Mehrheit vom 
Reichstage als Gesetz angenommen und am 1. Juni 1891 vom Kaiser 
vollzogen. 
Der vorstehende kurze Überblick über die soziale Gesetzgebung des 
Deutschen Reiches in dem Jahrzehnt von 1881—1891 zeigt eine rege, 
umfassende und segensreiche Tätigkeit zum Schutze der Arbeiter gegen 
die Mißstände, welche unser heutiges gewerbliches Leben veranlaßt hat. 
Das Deutsche Reich besitzt eine gesetzliche Arbeiter¬ 
versicherung wie kein zweiter Staat Europas. 
Welchen Segen die Arbeiterversicherung bereits gestiftet hat, möge mau 
aus folgenden Angaben erkennen. 
Auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 zog unter anderen 
Ausstellungsgegenständen des deutschen Reichsversicherungsamtes besonders 
ein gewaltiger Obelisk die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Er sollte 
die großartigen Wirkungen der deutschen Arbeiterversicherung in den ersten
	        
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