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im Jahre 1165, während der Kaiser in Welschland') war, daß viele Bi¬
schöfe, Fürsten, Grafen und edle Herren im deutschen Norden einen Bund
gegen den Löwen schlossen. Von allen Seiten brachen sie in seine Länder,
aber recht wie ein Löwe sprang ihnen Heinrich entgegen, daß sie vor seinem
Grimme allenthalben flohen; Blut und Flammen ließ er als Spuren seiner
Schritte zurück, und seinen Feinden zum Trotze stellte er in seiner Stadt
Braunschweig einen ehernen Löwen mit offenem Rachen auf. Mit tiefem
Verdrnsse mußten die Besiegten es leiden, als ihnen der Kaiser (1168) zu
Wiirzburg den Frieden gebot. Um so stolzer ward nun der Löwe; er be
festigte seine Herrschaft im Norden immer mehr und tvaltete darin wie
völlig unabhängig von Kaiser und Reich.
Inzwischen lebte sein Oheim, der kinderlose alte Welf, in Saus und
Braus, bei Spiel und Gesang auf seinen Gütern in Bayern und Schwaben.
Jedermann war sein Gast, und durchs Thor, zu dem sie einzogen, flog des
Wirtes Gold hinaus. Darum schrieb der alte Welf an seinen Neffen, den
Löwen, welcher all' sein Gut erben sollte, daß er ihm dafiir von feinen
Schätzen schicken möge. Aber der Löwe kargte damit und grollte sogar über
seines Oheims Verschwendung. Um desto freigebiger war der Kaiser gegen
den alten Welf; dafür gab ihm dieser die reichen Güter seines Hauses in
Italien und Deutschland. Heinrich der Löwe sah's mit tiefem Neide, und
von Stund' an ward sein Herz gegen den Kaiser kalt. Dieser aber ver¬
größerte damals die Macht seines Hauses immer mehr; sein erstgeborener
Sohn Heinrich wurde zum deutschen Könige erwählt, seinen anderen
Söhnen gab er Herzogtümer, Grafschaften und vieles Land. Da zog der
Löwe (1171) in seinem Mißmute ins gelobte Land, um das heilige Grab
zu verehren. Zwölfhundert stattlich gerüstete Ritter begleiteten ihn, und
allerorten ward ihm große Ehre erlvieseu, gleich wie einem Könige. Als
aber Herzog Heinrich nach Jahresfrist wieder zu Hause ivar, schenkte ihm
seine Gattin Mathilde, die Tochter des Königs Heinrich 11. von England,
einen Sohn. Nun schmerzte ihn der Verlust des welfischen Erbes erst recht
tief, und er grollte dem Kaiser immer mehr, denn er hatte auch erfahren,
daß dieser indessen schon für den Fall, daß er nicht mehr wiederkäme, über
seine Herzogtümer habe verfügen wollen.
Indessen war der Gegeupapst Paschalis III. gestorben, aber die
Kirchenspaltung dauerte fort; denn Alexanders III. Gegner erwählten
alsogleich einen neuen Gegeupapst, Calixtns III., welchen der Kaiser an¬
erkannte. Alexander III. aber behauptete seine Stellung dem Kaiser gegen-
über mit Ruhe, Weisheit und Würde und wollte von den Ansprüchen der
Kirche ebensowenig das Geringste aufgeben, als dieselben ungerecht über¬
schreiten. Als der griechische Kaiser den Zwiespalt zwischen Friedrich denl
Rotbart und der Kirche zu seinen eigenen Gunsten benutzen wollte und den
Papst anging, statt Friedrichs ihn selbst zum römischen Kaiser zu krönen,
wies ihn Alexander mit diesen Worten zurück: „Der Nachfolger des heiligen
i) Unter Welschland verstand man früher allgemein Italien, später auch
Frankreich. Das Wort ist gebildet von welsch, d. h. fremd, romanisch, daher die
welsche oder Walnuß, im Gegensatze zur einheimischen Haselnuß.