Full text: Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen

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Kleingewerbe nur zu helfen sei, wenn ihm die Hilfsmittel des Gro߬ 
betriebes zugänglich gemacht würden. Zu diesem rechnet er allerdings 
nicht nur Maschinen und Betriebskapital, sondern auch vermehrte 
Kenntnisse. 
Zunächst zeigte Schulze-Delitzsch, wie man zu einem großen Kapitale 
gelangen könnte. „Geben nicht viele kleine Kapitale ein großes? 
Könnt ihr eure Gelder nicht zusammenlegen und so eine Summe 
schaffen, die euch allen die Borteile des großen Betriebskapitales 
sichert?" rief er den Meistern seiner Vaterstadt zu. „Kauft gemein¬ 
sam eure Rohstoffe ein, nützt gemeinsam eure Maschinen aus, vertreibt 
gemeinsam eure Erzeugnisse!" 
Und dieser Mann predigte nicht tauben Ohren. Zunächst ver¬ 
einigten sich gegen Ende des Jahres 1849 die Schuhmacher und dann 
die Tischler in Delitzsch, um je eine Genossenschaft zur Beschaffung 
der nötigen Rohstoffe zu bilden, die dann an die Mitglieder zu Gro߬ 
handelspreisen abgelassen wurden. 
Allem Übel war damit freilich noch nicht abgeholfen. Zum 
Einkäufe braucht der Handwerker immer wieder — Geld. Er braucht 
auch Geld, um seine Gehilfen zu bezahlen, um seinen Betrieb zu 
vergrößern, um leben zu können, wenn ihm gewissenlose Kunden den 
ausbedungenen Preis für seine Arbeit vorenthalten. Bekennt doch 
auch Richard Hartmann, der Begründer des sächsischen Maschinenbaues, 
daß ihm im Anfange seiner gewerblichen Selbständigkeit der kommende 
Lohntag den Schlaf geraubt habe. Woher soll aber der Handwerker 
das Geld nehmen, wenn die eigene Kasse versagt? Auch hierzu 
wußte jener Schulze aus Delitzsch Rat. „Ihr müßt Vorschußvereine 
bilden!" rief er seinen Schützlingen zu. „Zahle ein jeder von euch 
100 Taler in eine gemeinsame Kasse! Wer diese Summe zur Zeit 
nicht hat, spart so lange, bis er sie durch Einzahlungen nach und 
nach erreicht hat. Seid ihr in eurer Stadt vierzig selbständige Hand¬ 
werker, so habt ihr dann 4000 Taler zu verleihen. Doch verleiht 
nur an Mitglieder eurer Vereinigung und nehmt dafür fünf Prozent 
Zinsen! Treten Verluste ein, so tragt sie gemeinsam, und ihr empfindet 
sie dann weniger. Ja, ihr könnt es so einrichten, daß sie gar nicht 
bemerkt werden. Laßt euch jene fünf Prozent nicht voll auszahlen, 
sondern laßt euch zwei Prozent so lange abziehen, bis ein Rückhalt 
oder Reservefonds von 400 Talern angesammelt ist, aus dem dann 
die Verluste getilgt werden. Sucht auch das Vertrauen der übrigen 
Leute zu eurer Vereinigung zu erwerben, damit sie euch ihre Er¬ 
sparnisse zu dreieinhalb Prozent anvertrauen. Ihr erhaltet ja fünf 
Prozent, der Überschuß fällt euch zu!" Auch diese Mahnungen des 
Handwerkerfreundes verhallten nicht ungehört. Es bildeten sich Ge¬ 
nossenschaften, die ihren Mitgliedern Darlehne auf Treu und Glanber: 
oder „Kredit" gewährten und daher Kreditgenoffenschaften genannt wurden. 
Die Gesetzgebung hat die Bildung solcher und ähnlicher Genossen ¬ 
schaften erleichtert und dadurch die angebahnte Selbsthilfe nach Möglich¬
	        
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