Full text: Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen

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Die erste Beere schwillt im Laube, 
in schlanken Halmen steht die Saat. 
Nun wachs auch du, du froher Glaube, 
und du, du heitre, gute Tat! 
Wohl jedem, dessen tiefstes Leben 
das wahre Sonnenlicht gestreift, 
daß wie die Saaten und die Reben 
die Liebe in ihm blüht und reift! 
Von Treue, Demut und Verzeihen 
ein neuer Geist werd' offenbar! — 
Schmückt Tür und Tor mit grünen Maien, 
mit Maien Gräber und Altar! 
119. Ueujahrslied. 
Frida Schanz. 
Mit der Freude zieht der Schmerz 
traulich durch die Zeiten, 
raube Stürme, milde weste, 
bange Sorgen, frohe Feste 
wandeln stch zur Seiten. 
war's nicht so im alten Jahr? 
wird's im neuen enden 
Sonnen wallen auf und nieder, 
Wolken gehn und komiuen wieder, 
und kein Wunsch wird's wenden. 
Und wo eine Träne fällt, 
blüht auch eine Rose. 
Schon gemischt, noch eh' wir's bitten, 
ist für Throne und für Hütten 
Schmerz und Lust im Lose. 
Gebe denn, der über uns 
wägt mit rechter wage, 
jedem Sinn für feine Freuden, 
jedem Nut für feine Leiden 
in die neuen Tage! 
Hebet. 
120. Ostermorgen. 
Die Lerche stieg am Ostermorgen 
empor ins klarste Luftgebiet 
und schmettert', hoch im Blau verborgen, 
ein freudig Nuferstehungslied. 
Und wie sie schmetterte, da klangen 
es tausend Stimmen nach im Feld: 
Wach auf, das Alte ist vergangen, 
wach auf, du froh verjüngte Welt! 
Wacht auf und rauscht durchs Tal, 
ihr Bronnen, 
und lobt den Herrn mit frohem Schall! 
Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen, 
ihr grünen Halm' und Läuber all! 
Ihr Veilchen in den Waldesgründen, 
ihr Primeln weiß, ihr Blüten rot, 
ihr sollt es alle mitverkünden: 
Die Lieb' ist stärker als der Tod! 
Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen, 
die ihr im Winterschlafe säumt, 
in dumpfen Lüsten, dumpfen Schmerzen 
rin gottentfremdet Dasein träumt! 
Die Kraft des Herrn weht durch die 
Lande 
wie Jugendhauch, o laßt sie ein! 
Zerreißt wie Simson eure Bande, 
und wie die Adler sollt ihr sein! 
Wacht auf, ihr Geister, deren Sehnen 
gebrochen an den Gräbern steht, 
ihr trüben Augen, die vor Tränen 
ihr nicht des Frühlings Blüten seht! 
Ihr Grübler, die ihr fernverloren, 
traumwandelnd irrt auf wüster Bahn, 
wacht auf! Die Welt ist neugeboren! 
Hier ist ein Wunder, nehmt es an! 
Ihr sollt euch all des Heiles freuen, 
das über euch ergossen ward! 
Es ist ein ewiges Erneuen 
im Bild des Frühlings offenbart. 
Was dürr war, grünt im Wehn der Lüfte, 
jung wird das Alte fern und nah, 
der Odem Gottes sprengt die Grüfte, 
wacht aus! Der Oftertag ist da! 
Emanuel Geidtl.
	        
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