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kann. Und wirklich, der Blitz zeigte sich gehorsam und folgte willig der
Metalleitung am Hause hinab in das Erdreich ohne eine Spur seiner
gewalttätigen Natur zu hinterlassen. Seit 150 Jahren hat Franklins
Erfindung in tausend und aber tausend Fällen Tod und Verderben ab¬
gewendet.
Trotz des unleugbaren Schutzes, den der Blitzableiter gewährt, sind
es in den meisten Gemeinden immer nur einige wenige Gebäude, die
gegen Blitzgefahr gesichert sind. Statistische Erhebungen haben aber er¬
geben, daß innerhalb des Deutschen Reiches alljährlich ein Schaden von
8—10 Millionen Mark durch Blitzschläge verursacht wird, ganz zu schwei¬
gen von all der Angst, dem Schrecken und den Schädigungen an Ge¬
sundheit und Leben.
Worin liegt wohl die Ursache unserer Gleichgültigkeit gegenüber der
Blitzgefahr? Nun, der eine denkt: „Mich wird's nicht treffen". Ein
anderer will nicht glauben, daß der gewaltige Funke sich einen Weg vor¬
schreiben lasse. Ein dritter hält sein Heim durch einen benachbarten Baum
hinreichend geschützt. Die meisten jedoch werden durch die hohen Kosten
abgeschreckt, die bisher die Blitzableiteranlage erforderte. Bis zu unseren
Tagen wurde bei Einrichtung eines Blitzableiters gar zu peinlich und um¬
ständlich vorgegangen. Die Spitze der Auffangstange wurde vergoldet und
mit einer Platinnadel versehen. Da die Elektrizität aus Spitzen ausströmt,
so hoffte man, die Erdelektrizität entweiche allmählich und unvermerkt
durch die Nadel und gleiche sich mit der Wolkenelektrizität aus, so daß
es überhaupt nicht zu einem Blitzschlag komme. Gold und Platin aber
verwendete man, damit ja kein Fleckchen Rost die Spitzenwirkung beein¬
trächtige. Für den Leitungsdraht schien nur das teure Kupfer gut genug
zu sein und ins Grundwasser versenkte man eine große Kupferplatte, daß
sie den Übergang des Blitzes zur Erdelektrizität erleichtere.
Nun hat uns aber der Blitz selbst deutliche Fingerzeige gegeben, wie
man ihm weit billigere und doch sichere Wege herstellen könne. Da an diesem
Gebäude fuhr er in die Giebelwand, verteilte sich auf all die dünnen
Eisendrähte, die den Verputz halten, und kam, ohne besonderen Schaden
anzurichten, in die Erde. Dort an jenem Hause fing ihn die Blitzableiter¬
stange wohl auf, aber bald sprang er von der Kupferleitung nach der
blechernen Dachrinne und lief dieser und dem Ableitungsrohre entlang.
Rinne und Rohr mit ihren breiten Flächen übten eine stärkere Anziehung
aus vnd boten ihm einen bequemeren Weg als der schmale Draht. Wieder
ein andermal durchschlug er Dach und Decke um nach der Wasserleitung
zu gelangen, die ihn vom obersten Stockwerke bis zum Boden leitete.
Anderswo beliebte es ihm von dem Baume vor dem Hause, den er zu-
Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz. 7