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Je höher wir aber in dem Hochgebirge hinansteigen, um so
finsterer, wilder, menschenfeindlicher wird die im Eishauche der
Gletscher erstarrende und ersterbende Natur; hier in der stummen
öde,
„Wo gar koa Baum,
Koa Latschn nimmer steht,
In lauter Fels, lauter G’wänd’
Wo’s grausi aba geht,"
braucht es allerdings „a Schneid", wenn der Mensch nicht gleich
der Natur in Trübsinn vertrauern und erstarren will.
Aber auch hier schreitet längs der kalten, übereisten Felswände
frischen Mutes ein Jäger singend daher:
„Wenn der Spielhahn balzt und gurgelt auf 'm Schnee,
Ischt a frischer Jäger bei der Höh."
So ist das Volk, das in diesen Bergen und draußen auf der
Hochebene wohnt, ein abgehärtetes. Nicht nur von Norden sondern
auch von Süden über die hohen Eisberge her wird es von kalten
Winden angeweht; es bedarf einer tüchtigen, nachhaltigen Nahrung,
die Mark und Bein kräftigen, so daß es, starken Knochenbaues,
den Mühseligkeiten und Stürmen des Lebens mit Heiterkeit Trotz
bietet.
Guido Görres.
159. Nürnbergs und Fürths Industrie.
nürnberg verdankt sein Emporkommen nicht der Gunst äußerer
Verhältnisse; im Gegenteile, es stellen sich uns diese im ganzen
genommen als wenig förderlich dar. Kein starker Strom bietet dem
Handel eine bequeme Wasserstraße; der Boden birgt weder nützliche
Metalle noch Kohlen; ja er lohnte in seinem ursprünglichen Zustande
selbst den Unbau nur spärlich; denn er war eine unfruchtbare Sand¬
fläche und nur mit dünner Fruchterde bedeckt. Uber vielleicht lag
gerade in dieser Ungunst der äußeren Verhältnisse für die Bewohner
Nürnbergs ein Sporn zu möglichster Kraftentfaltung. Weil ihnen
die Natur nicht mit freigebiger Hand Schätze gespendet, suchten sie
sich dieselben durch größere Rührigkeit des Geistes und der Hände
zu verschaffen.
Dem Unternehmungsgeiste und der Bildung seiner Bürger ver¬
dankt Nürnberg seinen Wohlstand. Besonders günstig wirkte auf die
Blüte seiner Gewerbe der Umstand, daß die Kunst mit dem Hand¬
werke sich eng verschwisterte. Dies beweisen die vielen Erfindungen,
die in Nürnberg und von Nürnbergern gemacht wurden, so das Draht-
ziehen, die Taschenuhren, die Klarinette u. a. m.
Die Industrie der Stadt Fürth stammt aus jüngerer Zeit und
gelangte erst nach dem Dreißigjährigen Kriege zu einiger Bedeutung.