II. Geschichte und Verfassungskunde.
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grösserte sein Reich, so dass es von der Ostsee, Rider und Nordsee bis
Unteritalien und vom atlantischen Ozean bis zur Raab und Elbe reichte.
Im Jahre 800 wurde er vom Papste zum römischen Kaiser gekrönt.
§. 7. Die Nachfolger Karls des Grossen waren meist schwache
Regenten. Von seinen Enkeln wurde das Reich im Jahre 843 zu Verdun
derart geteilt, dass einer derselben, Ludwig der Deutsche, Ostfranken, d. i.
Deutschland, erhielt. Seitdem bildet Deutschland ein selbständiges Reich.
§. 8. Im Jahre 911 starben die Karolinger in Deutschland aus.
Von nun an wurden die deutschen Könige von den mächtigeren deutschen
Fürsten gewählt, welche deshalb Kurfürsten hiessen. Die Königs-
Kaiser-) Würde ging im Verlaufe der Zeit auf verschiedene Fürsten¬
familien über. Der erste gewählte deutsche König war der edle, tapfere
Konrad von Franken (911—918).
§. 9. Von 919—936 regierte Heinrich der Finkler aus dem
sächsischen Hause, welcher im Innern des Reiches Ruhe schaffte und
das Land durch Bildung eines Reiterheeres und durch Befestigung von
Städten wehrbar für den Kampf gegen die Wenden und die räuberischen
Ungarn machte. (Schlacht bei Merseburg 935.) — „Und hurtig hat er
gelegt ans Werk die kräftige Hand, bald waren die Dämme gezogen
durchs ganze germanische Land. Die Dämme? das waren die Städte
von freien Bürgern bewacht, die Bürger wussten zu bergen des Vater¬
lands Reichtum und Macht.“ (Grube.)
§.10. Heinrichs Sohn, Otto I. der Grosse, wehrte der Uneinigkeit
im Reiche und schlug 955 die Ungarn auf dem Lechfelde bis zur Vernich¬
tung, so dass von nun an ihre schrecklichen Raubzüge aufhörten. Ottos
Nachfolger, Otto II. und III., hatten in Italien fortwährend Kämpfe zu
bestehen. Hingegen widmete Heinrich II., der Heilige, 1002—1024
(von 995 an Herzog von Bayern) seine Thatkraft vorzugsweise der Ein¬
heit und Grösse Deutschlands. Er stiftete das Bisthum Bamberg.
§. 11. Heinrichs, des Heiligen, Traumgesicht.— Erstieg
den Herzogsstuhl herab: „Du gold’ner Reif, du gold’ner Stab, du edles
Hermelingewand, nun ist kein and’rer Herr im Land!“— Und nächstens war
es ihm im Schlaf, als ob ein Wort das Ohr ihm traf, ihm dünkt, als ob
sich aus der Wand hervorhub eine Riesenhand, die mit dem Finger
Zeichen schrieb: — „Nach sechsen“ — und dann stehen blieb. Ver¬
wirrt fuhr er vom Schlaf empor, „Nach sechsen!“ dröhnts in seinem
Ohr. Nach sechsen! — Menschensohn, das ist der Tod! Sechs Tage
nur sind Frist. Da beugt er seinen stolzen Sinn; da warf er sich in
Demut hin vor dem, der einzig hält Gericht. Und als des sechsten
Morgens Licht das Erdenrund begann zu färben, war willig er, bereit,
zu sterben. Der Tag ging hin, die Nacht brach an, die sechste Woche
kam heran, — der sechste Mond, er blieb ergeben; noch fristete der
Herr sein Leben, und als das sechste Jahr entfloh’n, ward
ihm verliebn der Kaiserthron.
§. 12. Mit Heinrich II. erlosch das sächsische Kaiserhaus. Von 1024 —1125
regierten die Kaiser Konrad II., dann Heinrich HL, Heinrich IV. und
Heinrich V. aus dem fränkischen Geschlechte; Lothar von Sachsen von
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