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Fertigkeiten, welche dir ein ehrenhaftes Auskommen und Selbständig¬
keit in der Welt verschaffen. Dieses zu erreichen ist dir möglich;
denn du trägst das reichste Kapital hierzu in dir selbst: es besteht
dasselbe in der Jugendzeit, Jugendkraft und endlich im Jugend¬
verdienst. Verwende daher dieses Kapital gewissenhaft; beachte
und benütze alles, was dich im Guten fördern, in deinem Ge¬
schäfte vorwärts bringen kann. Suche diejenigen Orte auf, wo
dein Handwerk in einem höheren Grade blüht als dort, wo du
es erlernt hast. Sei stets bemüht die besten Werkstätten, die
geschicktesten Handwerker und Künstler aufzufinden, und halte dich
für besonders glücklich, wenn du bei ihnen Arbeit bekommst.
Dadurch erlangst du nicht nur für die Gegenwart die größten
Vorteile, sondern du erwirbst dir auch einen guten Ruf und bist
für die Zukunft an andere vorzügliche Orte, zu anderen guten
Meistern empfohlen.
Bei einem geschickten Meister findest du auch geschickte Ge¬
sellen; du machst angenehme, lehrreiche Bekanntschaften, erfährst
immer etwas Neues und Nützliches, oft aus der weitesten Ferne,
wohin du auf deiner Wanderschaft nicht gelangen kannst. Siehe
daher anfangs nicht auf hohen Lohn, sondern nur auf den Nutzen,
den dir eine solche Stelle für die Vervollkommnung in deinem
Handwerke bringt; dein Meister wird ohnehin, wenn er dich in
der Folge als einen geschickten, bescheidenen, lernbegierigen und
fleißigen Gesellen kennen lernt, von selbst deinen Lohn erhöhen
und darauf bedacht sein dir immer nützlicher zu werden.
Erwirb dir durch gesittete Aufführung, Treue und Fleiß
das Vertrauen und die Liebe deines Meisters. Dieser wird dann
weniger zurückhaltend in seiner Kunst sein, er wird dich als ein
Mitglied seiner Familie betrachten und vielleicht, wenn du ihn
verläßt, dich anderswohin empfehlen.
Halte dich nie bei unnützen und deshalb schädlichen Dingen
auf. Liebhabereien haben schon viele Menschen ins Unglück ge¬
stürzt, ja ganz zu gründe gerichtet; habe daher ein scharfes, ein
wachsames Auge auf deinen Zeitvertreib. Sei ernst und besonnen
in der Erfüllung deiner Berufspflichten.
2. Lieber Bruder! Das Wirtshaus verschafft dir wohl
Zehrkunden, aber keine Nährkunden. Dort verlierst du die kost¬
bare Zeit; Zeitverlust ist aber auch Geldverlust; dort verbrauchst
du dein sauer erworbenes Geld und läufst Gefahr für das Heil
deiner Seele. Spare in der Zeit, damit du in Tagen der Not
einen Zehrpfennig hast. Sparsamkeit und Ordnung bilden den
goldnen Boden des Handwerks. Setze deine Ausgaben stets in
ein richtiges Verhältnis zu deinen Einnahmen. Vermeide das
Spiel; noch ist kein Spieler reich geworden.