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130* Der Bauernstand im 16. Jahrhundert.
Der deutsche Bauernstand genoß nicht jederzeit die Frei¬
heit, in welcher er sich heutzutage befindet, sondern hat von den
Jahrhunderten des Mittelalters bis'1848 unter den schrecklichsten
Verhältnissen gelitten, die ohne Übertreibung mit dem Ausdruck
Sklaverei bezeichnet werden können.
Vor alters, da das Geld noch selten war, lieferten die Bauern
ihre Abgaben an den Grundherrn in Getreide, Flachs, Obst,
Vieh, Eiern, Käse u. s. w. Auch leisteten sie Hand- und Spann¬
dienste, die man Fronen nannte. Die Fronen und Zehnten
wurden mitunter in erschreckender Weise erhöht und vermehrt.
Am lästigsten wurden die Jagdfronen, wobei der Bauer sein
eigenes Feld niedertreten mußte um den Hirsch jagen zu helfen.
Später wurden die Frondienste und Naturalabgaben mit
Geld abgelöst und, da die Kasse der Grundherren meistens sehr
trocken war, auf die erdenklichste Weise erhöht und vermehrt.
Da gab es auf jedes Fleckchen Land, auf jeden Winkel im Hause,
bei jedem Jahres- und jedem Jahreszeiten Wechsel, bei jeder Hochzeit,
jeder Kindtaufe und jedem Todesfall, bei jedem Besitzwechsel und
Verkaufe eine Menge oft sehr bedeutender Abgaben, die an den
Grundherrn zu entrichten waren. Dazu kamen später auch noch
eine große Anzahl Strafen, die durch Strafgelder gesühnt werden
mußten. Wasser, Wald, Weide und Jagd, die früher frei ge¬
wesen waren, nahm der Grundherr für sich in Anspruch, be¬
strafte jeden Eingriff der Bauern auf das härteste und machte
ihn zu einer neuen Geldquelle für sich und zu einer weiteren
drückenden Last für den Bauern. Da nun oftmals der arme,
geängstete Bauer keinen Pfennig Geld im Hause hatte lind doch
Strafen und Steuern zahlen mußte, so wurde er mit Gewcdt in
die Hände bildsaugender Wucherer getrieben, die ihm das wenige,
was noch sein war, ja, die ihm das Brot vom Tische nahmen.
Da ging dem deutschen Bauern die alte Kraft aus und
die ehemaligen Kern- und Riesengestalten schrumpften zusammen
unter der Last drückender Armut und übermäßiger Arbeit. So
sank der Bauer immer tiefer und verlor ein Recht nach dem
andern. Man entzog ihm die alten Gerechtsamen zur Wahl seiner
T orsteher, zur Teilnahme an den Volksgerichten, ja schließlich
die Gerechtigkeit vor dem Gerichte selbst. Je mehr die Armut
und. Rechtlosigkeit überhandnahm, desto tiefer sank der Bauern¬
stand. >* Mit knapper Mühe und Not lernten einige wenige das
Lesen■ und Schreiben; denn in der Hauptsache beschränkte man
sich auf den Religionsunterricht. Dennoch erhielt sich in dem
guten und kernigen Volke immer noch'eine seltene Treuherzigkeit