Full text: Lehr- und Lesebuch für Fortbildungs- und Sonntagsschulen

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trockene Dickicht. Und da ist es nicht lange allein geblieben. 
Als ihm die Augen zu sinken begannen, kommt ein Rudel 
Rehe an ihm zusammen, alte und junge. Und sie schnup¬ 
pern an dem Mädchen und sie blicken es völlig verständig 
und mitleidig an und sie fürchten sich gar nicht vor diesem 
Menschenkinde. Sie bleiben und lassen sich nieder und 
benagen die Bäumchen und bedecken einander und sind 
ganz zahm. Das Dickicht ist ihr Winterdaheim. Am 
anderen Tage hat der Schnee alles eingehüllt. Waldlilie 
sitzt in der Finsternis und labt sich an der Milch, die sie 
den Ihren hat bringen wollen, und sie schmiegt sich an 
die guten Tiere, auf daß sie im Frost nicht ganz erstarre. 
So vergehen die bösen Stunden des Verlorenseins. 
Und da sich die Waldlilie schon zum Sterben hingelegt 
und in ihrer Einfalt die Tiere gebeten hat, daß sie zutraulich 
bei ihr bleiben möchten in der letzten Stunde, da fangen 
die Rehe jählings ganz seltsam zu schnuppern an. Sie 
heben ihre Köpfe und spitzen die Ohren und in wilden 
Sätzen durchbrechen sie das Dickicht und stieben davon. 
Jetzt arbeiten sich die Männer durch Schnee und 
Gesträuch herein und sehen mit lautem Jubel das Mädchen. 
Und Bertold, der Vater, weiß im Übermaße der Freude 
nichts zu sagen; aber Tränen rollen über seine verwitterten 
W angen. Peter Rosegger. 
141. Vom Testament. 
Über den bei ihrem Tode vorhandenen Rücklaß können 
nicht verfügen diejenigen, welche wegen Geisteskrankheit, Geistes¬ 
schwäche, Verschwendung oder Trunksucht entmündigt sind, dann 
Personen, welche sich in einem, die freie Willensbestimmung 
ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit 
befinden, weiters Personen, welche das sechzehnte Lebensjahr 
noch nicht vollendet haben, endlich Personen, welche ihren letzten 
Willen weder mündlich noch schriftlich auszudrücken vermögen. 
Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt zwei ordentliche und 
drei außerordentliche (d. h. unter bestimmten Voraussetzungen 
statt der ordentlichen zulässige) Testaments form en. 
1. Ordentliche Testamentsformen. 
a) Errichtung des Testaments vor einem Notar. 
Diese geschieht in der Weise, daß der Erblasser dem Notare 
seinen letzten Willen mündlich erklärt, oder daß der Erblasser 
eine Schrift dem Notare mit der Erklärung übergibt, daß die 
Schrift seinen letzten Willen enthalte.
	        
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