Full text: Lehr- und Lesebuch für Fortbildungs- und Sonntagsschulen

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Die Chronik erzählt uns, daß der Silberreichtum 01* 
Schreckenberge und Schottenberge — es sind dies zwei Berge, 
in deren Nähe (1496) die Stadt erbaut wurde — so unermeßlich 
war, daß das Silber nicht in Geld umgeprägt und nur im 
Auslande verwertet werden konnte. Annaberg hatte zwar eine 
Münzstätte; allein sie reichte bei weitem nicht hin den Segen 
des Bergbaues zu bewältigen. Die in Annaberg geschlagenen 
Münzslücke führten nach dem Hauptfundorte des Silbers den 
Namen „Schreckenberger." 
Dieser große Reichtum hatte aber den Nachteil, daß gar 
viele der Bewohner sich dem Prunke und dem Wohlleben zu¬ 
neigten. Und noch eine andere Schattenseite hatte dieser Reichtum: 
er war zu vergänglich. Die Ergiebigkeit der Bergwerke ließ nach, 
und während z. B. die Fundgrube „himmlisch Heer" von 1536 
bis 1593 eine Ausbeute von 1800 000 Mark geliefert hatte, deckte 
in der späteren Zeit der Ertrag nicht die Betriebskosten und 
heute sind die Gruben verödet und verfallen. 
Die Zeit des Niederganges und des Verfalles der Silber¬ 
gewinnung brachte für Annaberg schwere Tage; Mutlosigkeit und 
Verzweiflung hatte sich der Bewohner bemächtigt; es war eine 
traurige Zeit. 
Da geschah es eines Tages, daß ein armes Weib mit drei 
hungernden Kindern an die Tür des Bergherrn Christoph 
Uttmann pochte. Sie war eine Fremde, kam weit daher und 
bat um Gottes willen ihnen ein Stück Brot und für kurze Zeit 
eine Ruhestätte zu geben. Frau Barbara Uttmann empfing 
die Arme nach ihrer Gewohnheit mit gütigen Worten, erquickte 
sie mit Speise und Trank und bot ihr Unterkunft. Die fremde 
Frau erzählte, daß sie aus Brabant stamme; glücklich habe sie 
mit den Ihrigen bis vor kurzem gelebt, bis der Herzog Alba als 
Statthalter nach den Niederlanden gekommen sei und in der 
schrecklichsten Weise gewütet habe. Schaudererregend war die 
Beschreibung, welche die Frau von jenem Abende machte: wie 
Albas Häscher auch in ihre friedliche Hütte gedrungen seien, wie 
der Marin in vergeblicher Gegenwehr vor ihren Augen getötet 
worden sei, und wie man ihr das Haus über dem Kopf angezündet 
habe. „Da verlor ich in wenig Stunden," sagte sie, „meinen 
Mann, meine Habe und meine Heimat und war gezwungen 
auszuwandern, gleich tausend anderen Familien, die sich teils 
nach England teils nach Deutschland wandten." 
Als sie nun weiter von ihrer Wanderung und ihrem 
Schicksal erzählte, griff sie um nicht müßig zu sitzen, in die 
Tasche und zog ein Päckchen hervor. Es enthielt kurze, hölzerne
	        
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